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Das Handwerk als Leidenschaft

    Im Regal des Ausstellungsraums steht ein Modell seines Meisterstücks. Meisterbriefe und Urkunden füllen eine ganze Wand des Büros. Und dazwischen Steine in ihrer ganzen Vielfalt: Überall in Uwe Langes Betrieb ist die Leidenschaft für sein Handwerk zu spüren, eine Leidenschaft, die hier zur Familientradition geworden ist.

    Seit 1951 gibt es die Firma Lange in Schwerin. Uwe Lange führt sie in dritter Generation. Dabei, sagt er, wollte er dem Handwerk von Großvater und Vater eigentlich untreu werden und stattdessen Architektur studieren. Aber weil das Familienunternehmen keine PGH, sondern ein Privatbetrieb war, blieben dem Sohn sowohl Erweiterte Oberschule als auch ein Beruf mit Abitur verschlossen. Er trat als Steinbildhauer-Lehrling in den väterlichen Betrieb ein – und war schnell Feuer und Flamme: „In nur kurzer Zeit habe ich den Beruf lieben gelernt. Mein Großvater hat mich auch in der Freizeit stets zu steinbildhauerischen Arbeiten ermuntert“, sagt Lange.

    Auf diesem Gebiet ist das Renomee der Firma groß. Der Großvater arbeitet beispielsweise am Portal der Alten Münze in Ros­tock, an verschiedenen Renaissance­giebeln in Güstrow, am Borwinbrunnen. Er bildet Laternenträger am Ludwigsluster Schloss und Säulen an der Wismarer Wasserkunst akkurat in Stein nach. 1984 hat dann auch Uwe Lange mit nur 23 Jahren den Meisterbrief in der Tasche. Sein Meisterstück, ein Bär auf einer Kugel, ist eine so genannte Zirkelarbeit, die vergrößerte Kopie eines Modells in Stein. „Die Figur steht heute bei meinem Vater im Garten“, sagt er.

    Uwe Lange möchte individuelle Erinnerungsmale schaffen. Foto: Haescher

    Mit der Wende kommt die Lust, noch einmal wegzugehen und in die „große, weite Welt hineinzuschnuppern“. Doch den Vater mit all der Arbeit in der Werkstatt alleinlassen? Uwe Lange entscheidet sich dafür, in Schwerin zu bleiben – mit einem tränenden Auge. Denn  die Erfahrungen und Techniken der Steinbearbeitung anderswo interessieren ihn. „Hier im Norden ist Naturstein ja nicht das bevorzugte Baumaterial“, sagt er. „Unsere Herzöge setzten eher auf Terrakotta und Pappmaché.“

    Natursteine dagegen sind alles andere als von Pappe. Die Arbeit ist schwer. Ein Steinmetz steht bei seiner Arbeit den ganzen Tag gebeugt. Fundamente für Steine und Einfassungen müssen auf dem Friedhof per Hand geschachtet werden, auch beim Versetzen der Steine ist Handarbeit gefragt.

    Die Herstellung von Grabmalen macht in der Werkstatt einen wichtigen Teil der Arbeiten aus. Mit Erleichterung beobachtet Uwe Lange, dass sich der Trend zu anonymen Bestattungen wieder abschwächt. „Wenn ein konkreter Ort fehlt, zu dem Menschen ihre Trauer tragen können, kann die innere Unruhe darüber auf Dauer zusetzen“, sagt er. Einen Wandel in der Bestattungskultur in Deutschland und Europa ­be­obachtet Lange seit Jahren: „Er hängt damit zusammen, dass immer mehr Menschen von der Friedhofsarbeit ‘entpflichtet‘ werden wollen“ sagt er. Der Fachmann sieht es als seine Aufgabe, hier Angebote zu machen – die vor zwei Jahren von ihm initierten „Bestattungsgärten“ sind eines davon.

    Aber was bewirkt diese ständige Konfrontation mit der Sterblichkeit? „Man lernt, mit dem Tod umzugehen“, sagt der Steinbildhauer. Das gelingt ihm, indem er die künstlerische Herausforderung annimmt, Erinnerungsmale zu schaffen, die Menschen individuell gerecht werden. Diese Fokussierung aufs Handwerk hilft ihm auch in Situationen, die ihm selbst an die Substanz gehen.

    Als Erinnerungszeichen hat das Grabmal aber auch einen kulturgeschichtlichen Wert. Auf dem Akten Friedhof in Schwerin wird das auf Schritt und Tritt deutlich. „Eine phantastische Anlage“, schwärmt Lange. Er will seinen Beitrag leisten, damit das so bleibt:  Vor zehn Jahren gründete er mit anderen Enthusiasten den Förderverein „Alter Friedhof“, dessen Vorsitzender er ist. „Ziel ist, historische Denkmäler zu erhalten, die für die Geschichte der Stadt bedeutsam sind“, sagt der Schweriner. So konnten schon die Grabstelle der Marienschwestern und das Familiengrab des Maurermeisters Ludwig Clewe saniert werden.

    Mit Letzterem verbindet Uwe Lange aber auch eine andere Geschichte. Clewe war 1900 Gründungspräsident der Mecklenburgischen Handwerkskammer zu Schwerin. Uwe Lange hat in diesem Jahr die Präsidentschaft der Handwerkskammer übernommen, die 7611 Betriebe in Schwerin, Nordwestmecklenburg, Ludwigslust-Parchim und einem Teil des Landkreises Güstrow vertritt. Der Hauptgrund, auch zu dieser Anfrage Ja gesagt zu haben – nach bereits 28-jähriger ehrenamtlicher Tätigkeit in Innung und Kammer – ist der Wunsch, Handwerkspolitik mitzugestalten und die Handwerkskammer als Dienstleister für Unternehmer weiter zu entwickeln.

    Aktuell liegt Lange besonders das Azubi-Ticket am Herzen, eine vergünstigte Bus-und-Bahnfahrkarte für Lehrlinge. „Studenten haben Studentenausweise, die ihnen Vergünstigungen gewähren. Wir fordern hier eine Gleichstellung der dualen und akademischen Ausbildung“, sagt er und fügt hinzu: „Wir brauchen junge Leute im Handwerk.“

    Im eigenen Betrieb ist es ihm gelungen. Sohn Robert hat 2015 seinen Meister gemacht und hält dem Vater bei dessen ehrenamtlichen Verpflichtungen den Rücken frei. Und wenn es darum geht, den Kopf freizubekommen, dann schnürt Uwe Lange die Turnschuhe. „Intensiver Sport begleitet mich schon durch mein ganzes Leben“, sagt der Schweriner, der Turner, Schwimmer und Wasserballer war. Aktuell trainiert er als aktiver Triathlet, sogar an Europameisterschaften hat er bereits teilgenommen. Die Bewegung tut gut. Denn inzwischen sitzt auch der Steinbildhauer für seinen Geschmack viel zu viel vor dem Computer. Katja Haescher