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„Ich geh dann mal die Welt retten“

„Ich geh‘ dann mal die Welt retten.“ Mit diesen Worten und einem Augenzwinkern verabschiedete sich Dr. Anja Kofahl 2017 von ihren Kollegen, um als Umwelt- und Naturpädagogin in die berufliche Selbstständigkeit zu starten. Ihr Ziel: möglichst viele Menschen dafür zu begeistern, mit kleinen Veränderungen Gutes für die Welt und damit auch für sich selbst zu tun.

Eine grüne Seele hatte Anja Kofahl schon immer. „Auch wenn ich in der Stadt aufgewachsen bin“, sagt die gebürtige Nürnbergerin. „Aber meine Eltern haben zum Beispiel oft mit uns Ferien auf dem Bauernhof gemacht.“ Da war es fast folgerichtig, dass sie auch ein entsprechendes Studienfach wählte – Agrar­ökologie. Das brachte sie außerdem in den Norden, an die Universität Rostock, wo sie nach dem Studium wissenschaftlich arbeitete und promovierte. In Ros­tock lernte Anja Kofahl ihren Mann kennen und blieb.

Später zog die Familie ins Umland von Schwerin. Als die evangelische Fachschule für Sozialpädagogik in der Landeshauptstadt Dozenten suchte, bewarb sich Anja Kofahl für die Fächer Gesundheits- und Umweltpädagogik. Und stellte schon nach kurzer Zeit fest: „Das macht total viel Spaß.“

Allerdings nahmen bald die administrativen Aufgaben zu. Die 44-Jährige „rutschte“ in die Schulleitung und kam immer seltener zu dem, was sie für sich als sinnstiftend erlebt: Unterrichten. Also wagte sie wieder eine Veränderung – und gründete zusammen mit ihrer Kollegin Maika Hoffmann die Partnerschaftsgesellschaft „Naturschule M-V in natura“. Deren Anliegen ist es, Bildungs- und Beratungsangebote zu machen – zum Beispiel in Kitas und Schulen.

Anja Kofahl empfindet ihre Tätigkeit als Umweltpädagogin als sinnstiftend: Sie liebt es, andere für Natur und deren Schutz zu begeistern. Foto: Katja Haescher

Als spannendes Projekt, das vom Sozialministerium gefördert wird, nennt die Umweltpädagogin aktuell „Kita 2030“. Hier geht es darum, Tagesstätten auf dem Weg in die Nachhaltigkeit zu begleiten. Inzwischen passiert das auf ganz unterschiedlichen Wegen: In der einen Kita lernen schon die Kleinsten, wo sich im Alltag überall Papier sparen lässt und was nachhaltige Holznutzung bedeutet. In der nächsten Einrichtung stehen Hochbeete neben dem Klettergerüst und natürlich kommen die Gartenschätze auch auf den Teller. Anja Kofahl hat es schon erlebt, dass eine ganze Kindergartengruppe einträchtig selbst gebackene Rote-Bete-Brötchen futterte. „Und alle waren hinterher rot und glücklich“, erzählt sie lachend.

Das Thema gesunde Ernährung liegt ihr sehr am Herzen – und lässt sich von ihrem Engagement für den Umweltschutz gar nicht trennen. Erdbeeren im Winter? Haben wenig Geschmack, aber einen hohen Transportaufwand. Fleisch? Ein sensibles Thema, das sie für sich selbst konsequent beantwortet hat: „Ich bin Vegetarierin, weil ich es nicht über mich bringe, ein Tier zu töten. Dann wäre es auch nicht ehrlich, zuzulassen, dass es ein anderer für mich tut“, betont Anja Kofahl. Allerdings wahrt sie auch hier Balance. „Ich habe eine Freundin, die Rinder hält und selbst schlachtet. Deshalb gibt es für meine Familie zu besonderen Anlässen auch Fleisch. Und meine Kinder lernen gleich, wie es zubereitet wird“, sagt sie.

Dass solche Kenntnisse nicht selbstverständlich sind, erlebt die Umweltpädagogin in der täglichen Arbeit immer wieder. „Wie? Man kann auch Pizzateig selbst machen?“, heißt es dann zum Beispiel. Und auch hinsichtlich der Zubereitung von Gemüse gibt es viele Wissenslücken. „Immer weniger Menschen nehmen sich die Zeit, zu kochen und in Ruhe zu essen“, sagt die Ernährungsfachfrau, die Argumente wie „zu teuer“ und „keine Zeit“ nur bedingt gelten lässt: „Mich nervt es natürlich auch, wenn die Küche nach dem Kochen dreckig ist. Aber ich sage mir immer, es ist für einen guten Zweck.“

Anja Kofahl weiß, wie schwierig es ist, Gewohnheiten zu ändern. Deshalb schätzt sie die 5-vor-12-Umweltpädagogik nicht: „Es lässt Menschen resignieren und im schlimms­ten Fall abstumpfen, wenn sie immer nur hören, wie schlimm alles ist.“ Sie will dazu ermuntern, schrittweise zu einer nachhaltigeren Lebensweise zu kommen, mit einer Sache zu beginnen, statt gleich das ganze Leben umzukrempeln. „Wenn ich sage, ich kaufe jetzt nur noch Fair-Trade-Kaffee, dann ist das ein ganz konkreter Schritt“, nennt Anja Kofahl ein Beispiel und fügt hinzu: „Niemand kann zu 100 Prozent perfekt sein, ich bin es auch nicht.“

Wenn sie merkt, dass sich etwas verändert, dass schon die Kleinsten die Schnecke vom Weg ins sichere Gebüsch setzen oder die Größeren im Klassenraum darüber sprechen, warum Schulhefte aus Recyclingpapier besser sind und wie man sie erkennt, macht das Anja Kofahl froh. Sie will gern diejenige sein, die vorangeht und andere mitzieht, die sensibilisiert und neugierig macht, wie vielleicht etwas anders geht. „Auch wenn ihr manchmal doofe Eltern seid, über gesundes Essen kann man bei euch echt viel lernen“, hat ihr 13-jähriger Sohn neulich mal gesagt. Sie nimmt‘s als Kompliment – so wie sie alle Her­ausforderungen ihres Berufs mit Optimismus angeht.

Da bliebe noch eine Frage: Ist die Welt wirklich zu retten? „Na klar“, sagt Anja Kofahl. „Sonst könnte man doch gleich aufhören und wieder ins Bett gehen. Aber es muss natürlich jeder ein bisschen was dabei machen.“ Katja Haescher