Zum Inhalt springen

„Ich will zeigen, was in mir steckt“

Der Mann fällt auf. Eine markante Stimme, dunkel, akzentuierte Aussprache. Und groß, zwei Meter müssten das doch mindestens … „2,01“, sagt Tom Pidde. Und erklärt im gleichen Atemzug, warum er sich berufsbedingt gern zwei Zentimeter kleiner macht. Damit ist der Güstrower schon mitten drin in einer von vielen Geschichten, die am Ende alle Bausteine seines Lebenswegs sind, der nicht gerade, aber folgerichtig auf ein Ziel hinausgelaufen ist: Schauspieler zu sein.

Zwei Zentimeter also. Wenn bei der Größe eine Eins vor dem Komma steht, wird seine Karte auf Schauspieler-Plattformen nicht von vornherein weggeklickt. Was die Körpergröße betrifft, sind Schauspieler im Mittelmaß besser aufgehoben –vor allem bei Film und Fernsehen. Wir würden dich gern nehmen, Tom, aber wir können nicht alle anderen auf eine Kiste stellen. Diesen Satz hat er schon gehört. „Zum Beispiel haben Kameraleute Schwierigkeiten mich einzufangen, geschweige dann über meine Schulter zu filmen“, sagt er. Doch das stoppt ihn nicht – was kleine Rollen in Produktionen wie dem „Tatort“ oder der ARD-Serie „Die Pfefferkörner“ beweisen. Inzwischen hat er in zahlreichen Formaten Dreherfahrung gesammelt.

Als Schauspieler hat Tom Pidde seine Berufung gefunden – vor der Kamera genauso wie auf der Bühne. Foto: Steffen Gottschling

Überhaupt ist Tom Pidde jemand, der Schwierigkeiten nicht aus dem Weg geht – an Stolpersteinen kann man sich manchmal auch ganz gut abstoßen. 1969 in Ratzeburg geboren und in Mölln aufgewachsen, gab der kleine Tom gern den Klassenkasper. Auch später war er der Erste, wenn es etwas zu spielen gab – sei es auf der Konfirmandenfahrt oder bei Theaterabenden, die der Pastor organisierte. Beruflich allerdings zeichnete sich in diese Richtung noch nichts ab. Tom Pidde lernte den Beruf eines Fernmeldehandwerkers, wie es damals noch hieß.

Mit Anfang 20 schob er Außendienst auf St. Pauli – Fehlersuche und Entstörung im Milieu. Mit 23 dann das Gefühl: Ich halt‘s nicht mehr aus. Er setzte sich wieder auf die Schulbank, wurde technischer Fachwirt für Telekommunikation, Disponent und schließlich Gruppenleiter im Geschäftskundenservice für den Großraum Hamburg. Was er nicht wurde, war glücklich: Trotz der immer verantwortungsvolleren und immer besser dotierten Posten fühlte er eine immer größere Leere. Bis eines Tages eine Freundin fragte: Gibt es denn etwas, was du schon immer mal werden wolltest? „Schauspieler“, sagte Tom Pidde. „Aber ich weiß nicht, wie es geht.“

Jetzt ergriff die Freundin die Initiative. Schleppte ihn durch die Hamburger Theater. Tom Pidde lernte Menschen kennen, die in seinem Traumberuf arbeiteten. Die ihm Kontakte vermittelten und Tipps gaben. Einer der ersten, den er zu hören bekam, war: Du musst ein Typ werden.

Diesen Rat beherzigt er noch immer. Wenn er an die Rolle des Dr. Moreau denkt, in der er in diesem Sommer in dem Stück „Die Insel“ in der Kunstkate Pritzier auf der Bühne stand, sagt er: „Natürlich hat auch Marlon Brando schon Dr. Moreau gespielt, aber das interessiert mich nicht. Mir geht es darum, etwas in mir selbst zu finden.“ Um seinen Traum vom Schauspielerberuf zu verwirklichen, nahm Tom Pidde Privatunterricht, ließ seine Stimme professionell ausbilden. Er sammelte Bühnenerfahrung an Theatern in Hamburg und Bremen, stürzte sich dabei nicht selten ohne Plan B ins Abenteuer.

Inzwischen lebt er in Güstrow, auf halber Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Er ist schnell in beiden Metropolen und wenn auch Güs­trow im Vergleich dazu keine Theaterszene bietet, so hat er auch hier schon gearbeitet: „Während der Coronazeit habe ich mein erstes Hörbuch eingesprochen, zu Hause, direkt neben meiner schnarchenden Katze Harry“, sagt Tom Pidde. Er freut sich riesig, dass er als Sprecher bereits an Produktionen mitgearbeitet hat, die ihn früher selbst begeistert haben – wie zum Beispiel „Die drei Fragezeichen“. „Plötzlich bist Du ein Teil davon“, sagt er.

Theater oder Fernsehen – was reizt ihn mehr? Theater, sagt der 51-Jährige spontan, da sei viel mehr Raum für Auseinandersetzung, mit den Kollegen, mit der Rolle: „Die Arbeit an der Rolle hört bis zur letzten Vorstellung nicht auf.“ Auf der Bühne zu stehen, das Adrenalin zu spüren, etwas zu kreieren, das es zuvor noch nicht gab – dabei fühlt er sich lebendig. Und er spürt, dass seine Suche nach dem richtigen Platz ein Ende hat. „Ich fühle mich nicht mehr als der Außerirdische, der irgendwo herumgeistert“, sagt Tom Pidde lachend. Natürlich sind noch viele Wünsche offen. Nicht nach bestimmten Rollen, sondern nach interessanten, die er weiterentwickeln kann und zeigen, was in ihm steckt.

Übrigens auch ein guter Faustballer: Als solcher hat er an seinem neuen Wohnort in Güstrow Anschluss gefunden, wo es einen erfolgreichen Verein in dieser Sportart gibt. „Güstrow war übrigens im Faustball die Partnerstadt von Mölln und ich habe tatsächlich alte Bekannte wiedergetroffen“, freut sich der passionierte Sportler. Auch damit hat sich für ihn wieder ein Kreis geschlossen. Und das, sagt er, ist immer ein gutes Gefühl. Katja Haescher