Ausstellungsfläche mit Tradition: Kunstverein führt Galerie in der Wismarer Altstadt
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: in eine Wismarer Galerie für zeitgenössische Kunst.
Die „Galerie Hinter dem Rathaus“ ist schlicht und ergreifend nach der gleichnamigen Straße benannt und liegt in der Tat unmittelbar nördlich hinter dem Wismarer Rathaus. 1680 wurde der schlanke, zweigeschossige Bau erstmalig im alten Stadtbuch als eine von sieben städtischen Wohnbuden erwähnt. Ursprünglich waren dort einmal Ratsdienerwohnungen untergebracht.
Bereits im Jahre 1979 wurde in dem historischen Gebäude die Galerie eröffnet. Damals hieß sie noch Museumsgalerie und gehörte zum Stadtgeschichtlichen Museum Schabbell. Ausschließlich das Erdgeschoss wurde für Kunstausstellungen und Kunstverkauf genutzt.
Nach der Wende war die Stadt nicht mehr an der Weiterführung der Ausstellungsstätte interessiert. Doch die Künstlergemeinschaft, die sich im Zuge der Galerieeröffnung zusammenfand und 1990 in den Verein „Gemeinschaft Wismarer Künstler und Kunstfreunde“ überging, führt die Galerie seither in den angemieteten Räumen weiter. Die Gründung des Vereins und die Übernahme der Galerie von der Stadt war gewissermaßen eine von den Künstlern initiierte Rettungsaktion, um in der Wendezeit Kunst und Kultur zu erhalten und weiter zu fördern.
Im Jahre 2000 sanierte die Stadt das baufällige Gebäude. Nach Fertigstellung 2002 konnte die Galerie nun das ganze Haus nutzen. Unter Berücksichtigung der alten Bausubstanz wurde ein offenes Raumkonzept mit neuen Bauelementen aus Stahl, Glas und Beton realisiert. Durch den Verzicht auf jegliche Trennwände ist ein großzügiger Raumeindruck auf allen Etagen entstanden. Anstelle des Treppenhauses ragt eine Wandscheibe aus Stahlbeton in die Höhe, hinter der sich der neue Treppenaufgang befindet. Denkmalgetreu saniert wurden die historischen Holzbalkendecken und auch das jahrhundertealte Mauerwerk und Katzenkopfpflaster im Kellergeschoss sind erhalten geblieben.
Aus den Nullerjahren stammt auch die auffällige Installation über dem Schaufenster: Die geometrische Abstraktion stellt ein gerahmtes Bild dar, aus welchem sich Objekte hinaus bewegen. Linien überragen dabei sogar das obere Fenstergesims und wirken wie ein „Störer“. Der eigenwillige Entwurf, der sich maßgeblich von der gewohnten Werbekultur in der Stadt unterscheidet, stammt von Klaus-Dieter Steinberg, Hauptinitiator der Vereinsgründung und langjähriger Vorsitzender.
Der Verein agiert seit diesem Jahr unter dem neuen Namen „Kunstverein Wismar“. Unter den Mitgliedern sind gegenwärtig 29 Künstler und 35 Kunstfreunde, darunter namhafte Künstler aus der Region wie Britta Matthies, Wolf-Dieter Pfennig und Rainer Kessel, Hans Scheibner, Anna Martha Napp und Karen Clasen, Moritz Wippermann, Lena Biesalski, Susanne Gabler und andere. Über das Jahr verteilt organisiert der Verein etwa sieben bis zehn Ausstellungen in der Galerie und parallel auch weitere in der Nordkapelle von St. Marien und im Welterbehaus. Zu den festen Ausstellungsterminen gehören die regelmäßige Jahresschau, die Arbeiten von Vereinsmitgliedern zeigt und die Auktionsausstellung in der Gerichtslaube des Rathauses. Den anderen Teil der Ausstellungen bestreiten Gäste. Seit 2022 ist die Galerie Akteur der Jahresausstellung „DIA“ der Fakultät Gestaltung der Wismarer Hochschule.
Im hinteren Teil des Erdgeschosses befindet sich eine Verkaufsgalerie. Selbst für kleines Geld lässt sich hier Schönes erwerben: Verkaufsschlager ist das Kinderbuch „Opa hat Rücken“ der Edition Schlitzohr von Britta und Horst Matthies.
Überdies lockt die gerade eröffnete Ausstellung: Noch bis zum 14. September sind unter dem Titel „Weißer Grund“ Papierarbeiten und Zeichnungen der Künstlerinnen Astrid Weichelt und Astrid Lange zu sehen. Die Galerie Hinter dem Rathaus 8 ist von Mittwoch bis Sonnabend in der Zeit von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Laura Prüstel