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100 Jahre Wasserkraft erleben

Im Wasserkraftwerk Bobzin erzählt ein Museum aus der Geschichte der Stromerzeugung

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal im Wasserkraftwerk Bobzin, das noch heute Strom produziert.

Wasserkraftwerk Bobzin
Idyllisch an der Elde gelegen, passieren auch viele Radfahrer das alte Kraftwerk.Fotos: Martin Hocher

Die Geschichte mit den Zählern erzählt Arno Pommerencke gern. „Im Haushalt eines Sammlers landete eins dieser Geräte nach dem anderen. Seiner Frau wurde das zu viel. So stellte sie ihm ein Ultimatum: Die Zähler oder ich! So kamen die Messinstrumente zu uns ins Museum.“ Tatsächlich hängen Zähler dicht an dicht an einer Wand in einem der kleineren Museumsräume. Über 200 müssten es sein, schätzt Pommerencke.
Wie viele Exponate insgesamt im Museum zu finden sind, das der Verein im Maschinenhaus des Wasserkraftwerks eingerichtet hat, kann der einstige Elektrotechnikingenieur nicht sagen. Von Kleingeräten wie Spannungsprüfer bis zu großen Exemplaren wie Hoch- oder Mittelspannungsschaltgeräten ist alles dabei. Die Objekte eint, dass sie die Geschichte der Energieerzeugung durch Wasserkraft illustrieren. Sie stammen aus der Region oder aus anderen Teilen Deutschlands. Und es kommen ständig welche dazu: Sie werden direkt vorbeigebracht, manchmal auch vor der Tür des Museums abgelegt oder bei der Betreiberin des benachbarten Gäste­hauses abgegeben.

Von Mai bis Oktober können Interessierte an jedem zweiten Sonntag im Monat von 10 bis 16 Uhr das Maschinenhaus mit den Exponaten anschauen. Der Eintritt ist frei. Pommerencke oder einer seiner Vereinskollegen steht in dieser Zeit als kundiger Ansprechpartner bereit. „Die Resonanz ist dabei ganz unterschiedlich: Manchmal gibt es ein ständiges Kommen und Gehen. An anderen Sonntagen finden nur wenige Leute den Weg zu uns.“ Häufig führt der 84-jährige auch angemeldete Gruppen durch das Museum.
Das massive Gebäude aus rotem Ziegelstein liegt direkt neben der Bobziner Schleuse an der Elde-Müritz-Wasserstraße, die das Wasserstraßenamt Lauenburg betreibt. Die Elde hat hier ein recht starkes Gefälle. Dies legte es nahe, ein Wasserkraftwerk anzulegen. Dafür schuf man einen künstlichen Abzweig des Flusses. Am 8. Mai 1925 wurde das Kraftwerk eröffnet. Das Wasser trieb ursprünglich zwei Turbinen an. Generatoren wandelten die Bewegungsenergie in elektrische Energie um.

1945 demontierte die Rote Armee die Anlage und transportierte sie in die Sowjetunion. Der VEB Energieversorgung Schwerin installierte 1954 eine neue Einrichtung, die die Region Lübz versorgte. 1974 wurde sie nicht mehr benötigt und außer Betrieb gestellt. Nach der Wende kaufte eine Familie aus den alten Bundesländern das Objekt – inklusive des Wohnhauses der Maschinisten. Die neuen Besitzer installierten eine neue Anlage mit einer Turbine, die seit 1999 Strom produziert. „Heute gehört das Maschinenhaus mit dem Museum einem Privatbesitzer aus Regensburg. Ein Vertrag regelt, wie der Verein es nutzen darf“, erläutert Pommerencke. Die Anlage produziert nach wie vor Strom für die Stadtwerke Lübz. Das nehmen auch Museumsbesucher wahr: Hinter der Wand in Richtung Eldearm ist das leise Grollen der Maschine zu hören.

Ingenieur Pommerencke kannte das Kraftwerk von früher. Als Ruheständler wurde er bei einer Paddeltour wieder darauf aufmerksam. Damals, um 2000, nutzte man das Maschinenhaus sporadisch für Veranstaltungen. Die Idee entstand, es als Museum für die Entwicklung der Elektroversorgung in Mecklenburg zu etablieren und dort verschiedene passende Exponate unterzubringen. Ab 2002 fanden in dem Haus nach und nach solche Objekte ihren Platz. Aus den Personen, die dabei involviert waren, gründete sich 2006 der Verein „Wasserkraftwerk Bobziner Schleuse“, der heute um die 40 Mitglieder hat. „Der aktive Kern ist aber viel kleiner und der Altersdurchschnitt recht hoch“, sagt Arno Pommerencke. Verstärkung können die Enthusiasten also gut gebrauchen. Denn der Verein betreut nicht nur das Museum, das vollständig „Technisch-kulturelles Kommunikationszentrum und Museum für die regionale Elektrizitätsversorgung“ heißt. Er organisiert auch Veranstaltungen: von der Winterwanderung im Februar über Konzerte und Lesungen im Sommer bis zur traditionellen Pilzwanderung im Oktober. 

Beate Diederichs