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Leben unterm Grünen Hut

Diana Weber und Tim Lüdtke haben sich in Lübz einen neuen, kreativen Lebensmittelpunkt geschaffen

Schon einige Minuten trappeln sie ungeduldig mit den Pfoten. Ein Tier bellt kurz auf. Als Diana Weber endlich die Hundeschutztür im Obergeschoss öffnet, stürmen „Mini“, „Struppi“ und „Rossi“ die Treppe hinunter. „Rossi“ springt auf sein Lieblingssofa im Erdgeschoss. „Mini“ hüpft auf Tim Lüdtkes Schoß. „Struppi“ macht einen kurzen Abstecher in Diana Webers Atelier, bevor er in den Garten läuft. Von diesem Raum aus schauen ihm seine Artgenossen nach, in allen Größen und Farben, gebannt auf Leinwand. Denn Diana Weber malt in ihrem MIMO-Atelier – MIMO steht für „Mietz und Mops“ – Tierporträts. „Tiere und Kunst – das sind Konstanten in meinem Leben“, erzählt die studierte Tierärztin, die aus der Nähe von Freiburg stammt.

Tim Lüdtke und Diana Weber, mit Hund Mini
Tim Lüdtke und Diana Weber öffnen ihr Haus regelmäßig für Veranstaltungen. Foto: Martin Hocher

Sie gründete und leitete im Süden Deutschlands einen Tierschutzverein und spezialisierte sich auf Verhaltenstherapie für Tiere. Daneben zeichnete und malte sie, zunächst Frauen, dann Tiere. Dass sie ihren Lebensunterhalt mit einem Onlineshop für Vitalstoffe bestreiten kann, gibt ihr die nötige Freiheit für das MIMO-Atelier. Tierschutz lebt sie nach wie vor: Sie ist Veganerin und nimmt regelmäßig Hunde in Not bei sich auf. So wie „Mini“, „Rossi“ und „Struppi“. Der Dackel und die zwei Mischlinge stammen aus osteuropäischen Tierheimen. „Sie sind noch jung und bringen Leben ins Haus. Aber ich habe auch schon alten Hunden ein Zuhause gegeben und sie bis zu ihrem Tod begleitet“, sagt Diana Weber und zeigt auf einen Gedenkstein hinter dem Haus.

Das Haus. Auf der Mühlenstraße im Zentrum der Kleinstadt Lübz gelegen, denkmalgeschützt, zur Straßenseite blassgrün angestrichen. Es war eine Art Geheimtipp, berichtet Tim Lüdtke, freiberuflicher Architekt mit Zusatzausbildung in Baubiologie. Er kommt wie Diana Weber aus Freiburg, hat aber lange in Hamburg gelebt und gearbeitet. Das Paar führte zu jener Zeit eine Fernbeziehung und suchte ein gemeinsames Zuhause. Hundetauglich, doch nicht zu abgeschieden sollte es sein. „Weder ein Neubau noch eine Ruine, sondern etwas mit Potential zum Ausbauen.“ Im Internet fanden die beiden zunächst ein Haus in Lutheran nahe Lübz. „Wir kannten bis dahin die Gegend überhaupt noch nicht, wussten nicht einmal, dass in Lübz Bier gebraut wird.“ Das Objekt in Lutheran passte nicht ganz. Aber der Eigentümer hatte noch ein zweites Eisen im Feuer – die Mühlenstraße 22 in Lübz. Schon auf den ersten Blick waren Diana Weber und Tim Lüdtke begeistert: „Nach vorne die Stadt und hinten eine Riesenfläche für einen Garten – und in einem Fenster stand sogar ein braun-weißer Porzellandackel!“ 2018 kauften sie das Haus. Ins erste Obergeschoss, das in gutem Zustand war, zogen sie ein. Das Erdgeschoss sanierten sie nach und nach. Tim Lüdtke richtete neben dem Atelier seiner Partnerin sein Büro ein. Nach wie vor liegt sein Schwerpunkt auf naturnahem Bauen. Der Architekt ist handwerklich geschickt und macht viel selbst. In einem Nebengebäude entdeckte er die gut erhaltene Werkstatt eines kleinen Betriebs, der hier einst seinen Sitz hatte. Diese nutzt er jetzt. „In der Werkstatt bildete ein Innungsmeister namens Doss seine Lehrlinge aus. Nach ihm heißt das Gebäude auch Doss-Haus.“ Über das Freigelände neben der Werkstatt fuhren damals Autos und Motorräder. Diana Weber legte dort einen herrlichen Garten an – der allerdings recht arbeitsintensiv ist. Ein Feigenbaum, den sie als winzigen Setzling aus Freiburg mitgebracht hat, wächst hier. Daneben Weinstöcke, Kaki- und Kiwibäume, große Farne, gefüllte Pfingstrosen. „Durch die geschützte Lage gedeihen hier Pflanzen, die es warm brauchen.“

Das Zuhause von Diana Weber und Tim Lüdtke ist nun von vorn und von hinten grün. Das spiegelt sich in seinem Namen wider: „chapeau vert“ heißt auf Französisch „grüner Hut“. Als Südbadenern steht den Wahl-Lübzern die französische Sprache nahe. „Alles unterm grünen Hut“ – das fasst zusammen, was in dem Haus passiert. Stichwort „Lindy Hop“. Diesen Tanz, eine Spielart des Swing, beherrschen Diana Weber und Tim Lüdtke schon lange. Über ihn fanden sie sich als Paar zusammen und ihn brachten sie aus ihrer alten Heimat, wo es eine lebendige Szene gibt, nach Mecklenburg mit. In der vergangenen Sommersaison öffneten sie ihr grünes Haus für regelmäßige „Lindy-Hop“-Tanznachmittage. In diesem Jahr wollen sie eher zu Workshops übergehen. Bereits drei Mal haben Gäste das in einem geschmackvollen alternativen Stil eingerichtete Haus zu den Lübzer Flohmärkten besucht. „Grundsätzlich soll es einmal im Monat bei uns ein offenes Atelier und eine offene Baubude geben“, kündigt Diana Weber an. Mit ihren Veranstaltungen, die auf Spendenbasis stattfinden, wollen die beiden Touristen wie Einheimische ansprechen, Menschen mit künstlerischem und mit ganz anderem Hintergrund. In Lübz hätten sich in den letzten Jahren vermehrt Kreative angesiedelt, die aus den großen Städten „geflohen“ seien, erzählt Tim Lüdtke. Diese vernetzen sich, begünstigt durch die Veranstaltungen, miteinander und mit ortsansässigen Künstlern. Am Ende gehe es allen auch darum, Anlaufpunkte zu schaffen und Kleinstädten wie Lübz kreatives Leben einzuhauchen.

Beate Diederichs