Schweden 1917. In Kalmar verlieren immer mehr Menschen ihre Anstellung, haben nicht genug Geld, das Nötigste zu bezahlen. Die Missernte des Sommers lässt die Brotlaiber knapp werden. Protest formiert sich – in den Fabrikhallen, auf den Straßen. Henrik Fanger ist einer der Wortführer – Gewerkschafter, getrieben von Gerechtigkeit, von Gleichheit und Frieden. Fanger arbeitet in einem großen Maschinenwerk, malt Forderungen nach einem politischen Umbruch auf Transparente, mobilisiert seine Leute, diskutiert mit ihnen und bringt sie schließlich auf die Straße.
„Plötzlich springst du in diese Rolle rein“, sagt er. Henrik Fanger, Stoffhose, Hemd, sitzt in seinem Büro in der Wismarer Stadtverwaltung. Die Rolle als Gewerkschafter hatten sie ihm in Kalmar zugeschrieben. Dorthin war der stellvertretende Amtsleiter der Finanzverwaltung mit Vertretern des Stadtgeschichtlichen Museums gereist, um sich auf eine Zeitreise zu begeben. In Wismars Partnerschaft Kalmar organisiert das dortige Museum regelmäßig solche Zeitreisen – für Schulen, Seniorenheime, Unternehmen, private Gruppen.
„Time Travel Method“ heißt das pädagogische Konzept dahinter, das Themen wie Mobbing, Migration oder Arbeitswelt umfassen kann. Wismars Museumspädagogin Anne-Christin Liebscher sagt: „Das ist eine sehr lebendige Methode, die aktuelle gesellschaftliche Themen in den Mittelpunkt stellt.“ Menschen schlüpften in Rollen, die ihnen vielleicht fremd seien, vertreten dann Meinungen, die sie im wirklichen Leben nicht teilen. Ein Perspektivwechsel.
In Wismar Stadtgeschichtsmuseum „Schabbell“ soll diese Methode künftig auch umgesetzt werden. „Wir wollen das Museum nicht nur nutzen, um in die Vergangenheit zu blicken, sondern auch, um das Relevante in die Gegenwart mitzunehmen“, erklärt Liebscher. Im Rahmen des europäischen Projekts „Crossroads in history“ treffen sich die Wismarer Museumsmitarbeiter von nun an regelmäßig mit sechs Netzwerkpartnern aus Schweden, Litauen und Polen und tauschen sich über den Fortgang der Vorbereitungen für die Time-Travel-Methode aus.
Das verbindende Thema zwischen den Partnern ist Migration. Jeder entwirft sein eigenes Szenario, in das die Museumsbesucher dann eintauchen können.