Worin liegt für Sie die Faszination alter Dinge? Was ist der Reiz von alten Alltags- und Gebrauchsgegenständen und technischem Kulturgut?
Es sind die Geschichten dahinter, wer hatte das schon in der Hand, wie war das Leben damals. Aber auch die Formensprache der frühen Industriekultur ist in meinen Augen oft wunderschön.
Was sind die drei wichtigsten Eigenschaften, die ein Restaurator haben muss?
Geduld, Geduld, Geduld … und daneben historisches und naturwissenschaftliches Wissen und handwerkliches Geschick.
Welches Stück war für Sie die bisher größte Herausforderung – und warum?
Fast immer das aktuelle Stück. Aber auch gealterte Materialien, gern als Materialmix, reagieren meist wesentlich empfindlicher als „Neuware“.
Welches Material macht Ihnen die meisten Sorgen – und warum?
Problematisch sind fast immer Materialmixe wie gefettetes Leder an Kupfer und dessen Legierungen oder Stahl, der im direkten Kontakt mit Leichtmetallen verarbeitet wurde. Das führt zu vermeidbaren punktuellen Korrosionen. Moderne Kunststoffe sind aber auch oft hochproblematisch.
Stichwort Goldener Reiter: Wie gehen Sie an die Restaurierung heran, wenn ein solches Stück bei Ihnen in der Werkstatt ankommt? Welche Bedeutung für Ihre Arbeit hat die Historie eines Gegenstands?
Am Goldenen Reiter waren mehrere Firmen beteiligt. Eine erste Zustandskartierung habe ich in den Räumen der Firma Kosmala in Warin erstellt. Dabei wurde nach Fügenähten, stabilisierenden Eisen und Korrosionsstellen, losen Details und Überarbeitungen gesucht. Es werden die Farbfassung und deren Grundierungen betrachtet: Ist sie stabil genug, eine weitere Schicht zu tragen, was steckt unter der aktuellen Schicht? Der nächste Blick gilt der Kupferhaut und natürlich dem stabilisierenden Metallgerüst. Bei all dem fallen dann Ungereimtheiten auf, oft erst nur als vages Bauchgefühl. So ist die Lanze mit der Wetterfahne viel zu ebenmäßig und glatt und das Lager der Wetterfahne weist ein Schraubgewinde auf. Neben einem Riss am Schwertgehänge ist das Schwert in meinen Augen recht zierlich für Heinrich den Löwen. Solche Details wurden aber in der Vergangenheit oft entwendet, so dass hier eine Rekonstruktion wahrscheinlich ist. Die Naht am Hals des Reiters brachte mich auch beim Kopf auf die Idee, dass hier etwas nicht von 1744 stammt. In diesem Fall habe ich den Experten Knut Matzat befragt und er bestätigte mir, dass diese Helmform in Mecklenburg erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts üblich war. Der vom Reiter getragene Schuppenpanzer und damit der Leib des Reiters passen wiederum zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Nach dieser Analyse beginnt die praktische Arbeit: Moos, Flechten und Staub entfernen, Oberflächen leicht anschleifen, Risse schließen, zweimal grundieren, Öl auftragen und darauf die Goldblätter. Und nicht zu vergessen: Alle Arbeitsschritte werden fotografiert und genau dokumentiert.
Was ist für Sie in Ihrer Arbeit das schönste Lob?
Wenn die oft kaum sichtbare Arbeit, die meine Kollegen und ich gemacht haben, erkannt und anerkannt wird.
Interview: Katja Haescher