Das Kloster Rühn ist heute ein beliebter Veranstaltungsort und beherbergt verschiedene Kleingewerbe
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das geschichtsträchtige Kloster Rühn.
Einst lebte eine junge Nonne im Kloster Rühn. Noch bevor ihr Vater sie aus finanziellen Gründen im Kloster Rühn unterbrachte, verlor sie ihr Herz an einen tugendhaften Ritter. Mit ihrem Eintritt ins Kloster schwand die Liebe der beiden jedoch nicht und eines Tages schlich sich ihr Geliebter heimlich in die dunklen Gemäuer des Klosters, um seine Herzensdame endlich wiederzusehen. Die langersehnte Zusammenkunft sollte schon bald Früchte tragen. Als sich der junge Ritter am nächsten Morgen aus dem Schlafgemach seiner Liebsten schlich, beobachtete eine Ordensschwester die Szenerie. Sogleich teilte sie das Gesehene mit der strengen Priorin, war das Treffen eines Mannes doch strengstens untersagt. Die baldige Anhörung kam zu dem Schluss, dass die junge Nonne, gemessen an der Schwere ihres Vergehens, den Tod zu erwarten habe. Da sie jedoch ein neues Leben in sich trug, wurde die Hinrichtung vorläufig verschoben und eine strenge Bewachung angeordnet. Als der Ritter vom Schicksal seiner Herzensdame erfuhr, machte er sich erneut auf dem Weg zum Kloster. Die Wachen der Nonne entdeckten ihn jedoch und beendeten seinen Weg zu ihr mit einem Pfeil direkt ins Herz. Nach der Geburt übergaben sie das Kind der Nonne einer kinderlosen Frau aus der Gegend. Die junge Nonne hatte nun ihr schweres Schicksal anzutreten: Lebendig wurde sie in eine kalte Nische des Klosters eingemauert. Noch heute soll in mondklaren Nächten die leidvolle Stimme der Nonne in den Gängen des Klosters zu vernehmen sein. Diese schaurige Legende ist eine Deutungsmöglichkeit für einen rätselhaften Fund im Jahr 1899. In einer Nische eingemauert wurde das Skelett einer jungen Frau entdeckt. Eine andere Vermutung hinter dem Fund ist, dass an der Stelle des Klosters eine Zeit lang eine Gruft war, in der die Leichen aufbewahrt wurden, bis der Antrag zu ihrer Beisetzung auf dem Friedhof bewilligt wurde. Das Kloster Rühn wurde im Jahr 1232 von Bischof Brunward gegründet. Die Verfügung dazu wurde bereits 1171 von Heinrich dem Löwen getroffen. Nachdem am 14. Mai 1233 Bischof Gerhard II von Hamburg- Bremen das Kloster durch eine Urkunde bestätigte, erhielt es 1235 auch die päpstliche Anerkennung. Bereits von Anfang an zeichnete sich das Kloster durch einen umfangreichen Grundbesitz aus, der in den darauffolgenden Jahrhunderten die nachhaltige Wirtschaftskraft sichern sollte. Auch an den außergewöhnlich gro.zügigen Klosterbauten zeigte sich das schnelle und enorme Wachstum des Klosters. Ganz nach dem benediktinischen Motiv „Ora et labora“ (Bete und arbeite) schritt die Entwicklung des Klosters voran: Tägliche Gottesdienste mit allen Angehörigen des Klosters bestimmten den Alltag. Die Horen (tägliche Gebetszeiten) der Nonnen gliederten die Abläufe, sowohl tagsüber, als auch in der Nacht. Zu den Aufgaben der Nonnen gehörte zudem die Gestaltung der Gottesdienste sowie das Weben und Sticken von Paramenten und Tüchern. Zudem baute das Kloster große Mengen Hopfen an und produzierte reichlich Bier mit besonders niedrigem Alkoholgehalt, das zu dieser Zeit als tägliches Hauptgetränk galt. Wie das Kloster selbst, ist auch eine Glocke der Jungfrau Maria geweiht, die in Rühn zum Gottesdienst und zum Gebet ruft.
Von 1526 bis 1550 war der Herzog Magnus II. als Bischofsadministrator in Schwerin tätig. Dass er der lutherischen Reformation zugewandt war, kann bis heute durch einen erhaltenen Schriftwechsel mit Phlipp Melanthon, einem Mitarbeiter Luthers, belegt werden. Mit Visitationen trieb er die Reformation in Mecklenburg voran. So heißt es in einem Visitationsprotokoll von 1542, dass es sich bei dem Geistlichen Matthäus Blumenberg im Kloster Rühn um einen „ziemlich gelehrten Mann“ handle. Diese Bezeichnung wurde damals ausschließlich für eindeutig lutherische Pastoren verwendet. Er gilt als Rühns Reformator. Mit seiner Heirat der dänischen Prinzessin Elisabeth bezeugte Bischof Magnus seine protestantische Haltung. Nach seinem Tod wurde Herzog Ulrich I. als sein Nachfolger gewählt. Um 1570 erfolgte die Umwandlung Rühns: Es wurde zu einem evangelischen Kloster. Die Besonderheit: Herzog Ulrich I. übertrug seine herzoglichen Rechte an seine Frau Elisabeth, welche bei der Reformation stellvertretend amtierte und 1581 sogar eine eigens verfasste neue Klosterordnung publizierte. Rühn wird zum Adelskloster, in dem lediglich noch zehn Konventualinnen eigenständig leben und wirtschaften. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem der Unterricht adeliger Mädchen an der neu eingerichteten Mädchenschule. Heute ist das Kloster in der Hand des Klostervereins Rühn und wird schrittweise saniert. Dabei liegt der Fokus auf der Substanzerhaltung und der Wiederherstellung von Bereichen für die gewerbliche Nutzung. Neben diversen Kleingewerben, wie einem Atelier und einer Heilpraktikerin, ist das Kloster Rühn mit seinem Festsaal auch ein beliebter Veranstaltungsort.
Laura Piontek