Seit 1872 grüßt der Leuchtturm in Timmendorf
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: im Leuchtturm in Timmendorf, der zu den ältesten an der Mecklenburgischen Ostseeküste gehört.
Blinken im Gleichtakt. Drei Sekunden hell, drei dunkel. So schickt der Leuchtturm in Timmendorf auf der Insel Poel sein Licht in die Nacht. Der 21 Meter hohe Turm gehört zu den ältesten Bauwerken seiner Art an der mecklenburgischen Ostseeküste – auch wenn er zum Zeitpunkt seiner Entstehung noch gar nicht so hoch strebte. Aber dazu später mehr.
Tau‘n Lüchttorm. Für Urlauber klingt schon dieser Straßenname verheißungsvoll. Und lange brauchen sie auch nicht zu suchen, denn die rote Turmlaterne leuchtet schon von weitem. Was für die einen ein Fotomotiv mit maritimem Flair ist, ist für andere ein wichtiger Signalgeber. „Die Ansteuerung des Seehafens Wismar ist mit vielen Kursänderungen verbunden und gerade deshalb ist dieser Leuchtturm so wichtig“, erklärt Mario Fröhlich. Er ist Leiter des Außenbezirks Wismar beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Lübeck, in dessen Verwaltung sich der Leuchtturm befindet. Besonders die Untiefen „Hannibal“ und „Lieps“ sind in diesem Bereich tückisch – so tückisch, dass Lotsen bei diesigem Wetter manchmal auch tagsüber in der Verkehrszentrale Travemünde darum bitten, den
Turm zuzuschalten. Von Travemünde aus wird er nämlich fernüberwacht.
Davon konnten die Feuerwärter früherer Jahre nur träumen. Sie lefen täglich treppauf und treppab, um die Petroleumlampe zu füllen, das Feuer in Gang zu halten, die Linsen zu putzen. Am 1. Oktober 1872 schickte der Leuchtturm erstmals sein Licht in die Wismarbucht. Neben dem massiven Turm, der eine hölzerne Spierenbake ersetzte, entstand auch das Lotsenhaus, aus dem das Leuchtfeuer aufragte. Allerdings nicht hoch genug, denn bereits 1930 setzte sich der nautische Verein Wismar für eine Aufstockung ein. Der Leuchtturm erhielt vier weitere Meter – jenen Bereich, der heute als unverputztes Ziegelwerk sichtbar ist.
„Je höher der Turm, umso weiter ist auch das Licht zu sehen“, nennt Fröhlich den Hintergrund des Höhenrauschs. Rund 30 Kilometer schafft der Leuchtturm in Timmendorf, der als Leit- und Quermarkenfeuer Schiffen den richtigen Weg weist. Das sind rund 16 Seemeilen.
Leuchttürme gab es übrigens schon in der Antike, der wohl bekannteste ist der um 300 vor Christus entstandene Pharos von Alexandria. Sein Name besteht in der Bezeichnung eines Leuchtturms in den romanischen Sprachen fort – sei es nun beim französischen „phare“, dem „faro“ aus dem Spanischen und Italienischen oder dem portugiesischen „farol“. Und die seit alters her einen festen Platz in der Technik- und Verkehrsgeschichte innehabenden Meisterwerke werden auch in Zeiten moderner Navigationsgeschichte nicht weichen. „Leuchttürme als visuelle Schifffahrtszeichen bilden eine zweite Rückfallebene bei einem Blackout“, erklärt Mario Fröhlich. Außerdem würden viele Schiffe aus Finnland, Russland und dem Baltikum, die mit Holzlieferungen in Richtung Wismar unterwegs seien, noch mittels herkömmlicher Technik navigieren. Ohne Leuchttürme ist da nichts zu machen.
Und so werden Urlauber und Seefahrer den Timmendorfer „Lüchttorm“ weiter blinzeln sehen. Einmal im Jahr ist dann „Open Leuchtturm“ – organisiert zusammen mit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Katja Haescher