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Einkehr an der Himmelspforte

Das alte Zisterzienserinnenkloster am Schaalsee in Zarrentin ist ein Schatz für eine ganze Region

Der Ostflügel, vom Schaalsee aus gesehen Fotos: K. Haescher

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: im Zisterzienserinnenkloster in Zarrentin, das zu einer Zeitreise ins Mittelalter einlädt.

Aufstehen um 1 Uhr zur Vigil, dem Nachtgebet. Ein Tag voller Verpflichtungen, mit Meditation, Konventsgottesdienst und dem Kapitel, einer Lesung aus den Ordensregeln der Zisterzienser. Beten fürs eigene Seelenheil und für das anderer: Eine Zisterziensernonne hatte im Mittelalter ein straffes Pensum. Und doch war das Kloster in Zarrentin in dieser Zeit kein schlechter Ort zum Leben: am Hang über dem Schaalsee gelegen, mit Einkünften aus Fischerei und Grundbesitz, in dem das täglich Brot auf dem Tisch stand.

Die Geschichte dieses Ortes reicht bis in die Zeit der Ostexpansion unter Heinrich dem Löwen zurück. Dieser übertrug seinem Vasallen Gunzelin von Hagen die neu gebildete Grafschaft Schwerin und Gunzelin III., ein Enkel des Schweriner Grafen, und seine Mutter Audacia stifteten 1246 das Kloster. Der Bedarf an religiöser Sorge war da – vor allem, nachdem 1284 eine Gräfin aus der Familie im Kloster bestattet worden war.

Weitere Familienmitglieder folgten und auch aus diesem Grund wurde die Anlage in den darauffolgenden Jahren immer ansehnlicher: Was anfangs eine kleine Ansiedlung an der bereits seit 1194 existierenden hölzernen Zarrentiner Pfarrkirche gewesen war, wuchs bis 1300 zu einem repräsentativen Bau. Es entstanden der östliche Klausurflügel, der heute noch besichtigt werden kann, sowie der südliche und der nördliche Kreuzgang. Auch die Kirche wurde umgebaut, der Chor dabei um mehr als das Doppelte erhöht. Außerdem entstanden Wandmalereien, die Szenen aus dem Alten und Neuen Testament zeigen: Kain erschlägt Abel, Christus thront als Weltenrichter, Maria wird als Himmelskönigin gekrönt.

Auch nach der Ansiedlung des Klos­ters behielt die Kirche ihre Funktion als Pfarrkirche. Die Nonnen be­traten das Gebäude durch eine Tür an der Südwand, um auf ihrer Empore sitzend an den Gottesdiensten teilzunehmen.
Das Konvent in Zarrentin war eine illustre Gesellschaft. Die Schwes­tern entstammten dem Adel, ja sogar dem Hochadel: So trat 1282 auch die dänische Prinzessin Margarete, eine Enkeltochter Waldemars II., in das Kloster ein.
War das Kloster bereits bei seiner Gründung mit 60 Hufen Land ausgestattet worden, erhielt es durch Schenkungen und Besitzübernahmen beim Eintritt neuer Insassinnen weitere Güter und Einnahmequellen. Nur: Verwalten durften die Schwestern sie nicht. Dafür wurde 1258 ein Propst ernannt, weil Frauen im Mittelalter als nicht vollständig rechtsfähig galten.

Mit der Reformation wurde das Kloster säkularisiert und in einen herzoglichen Wirtschaftsbetrieb umgewandelt. Der nördliche, westliche und südliche Kreuzgang wurden – weil stark verfallen – abgetragen. In den Folgejahren was das einstige Klostergebäude Brauhaus und Kornhaus, Amtsgebäude mit Gerichtssaal und Jugendherberge. Zu DDR-Zeiten wurde das einstige Dormitorium der Nonnen in der östlichen Klausur wieder zu „Schlafräumen“ – hier entstanden Wohnungen. „Das ganze Haus war verputzt und ähnelte mehr einem Wohnblock“, sagt Natalie Niehus von der Tourist-Information der Stadt Zarrentin. Als dann nach der Wende laut über einen Verkauf des Klosters nachgedacht wurde, starteten die Zarrentiner eine Unterschriftenaktion mit dem Ziel, die Gebäude für die Stadt zu erhalten.

Das ist gelungen: Zwischen 2003 und 2006 wurde das Kloster umfassend saniert. Ergebnis ist ein kulturhistorisches Juwel, eine Anlage, die die Stadt Zarrentin als Amtssitz, Museum, Bibliothek und Veranstaltungsort nutzt. Besucher können heute den Kreuzgang mit kunstvoll gestalteten Schlusssteinen in der nördlichen Klausur bewundern, den Kapitelsaal mit vierjochigem Gewölbe und mittelalterlicher Fußbodenheizung, die Malereien in der Kirche und natürlich den wundervollen Blick auf den See. Mehr als 100 Trauungen finden hier jährlich statt.

Dies und noch viel mehr ist im Vergleich zur Zeit der Bewohnerinnen, die der Ehe entsagten, anders geworden. Eines jedoch hat sich nie geändert: Hier am Kloster „Himmelspforte“, wie der Papst es 1255 in seinem Schutzbrief nannte, mit Blick auf den Schaalsee, befindet sich ein kleines Paradies.

Katja Haescher

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