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„bunt as de Kerk tau Gägelow“

In der Feldsteinkirche im Sternberger Seenland gab es in diesem Jahr eine große Entdeckung

Kirche Gägelow
Typisch Mecklenburg: Die Wände des Schiffs der Gägelower Kirche wurden aus Feldsteinen errichtet. Fotos: Christian Lehsten

Wer unter den Wandmalereien der Gägelower Kirche stand, war einst von Geschichten und Allegorien umgeben. Und sprichwörtlich war das Ganze noch dazu, denn „So bunt as de Kerk tau Gägelow“ soll in früheren Tagen ein gängiger Vergleich gewesen sein.

Felicitas Klein und Sabine Princ mit dem restaurierten Altarbild
Triumpfbogen
Blick auf den Altar und den bemalten Triumphbogen


Heute ist das Gotteshaus nicht mehr in aller Munde – zu abgelegen ist das mittelalterliche Gemäuer und auch ein Teil der Wandmalereien ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts verschwunden. Vor wenigen Monaten allerdings richteten sich zahlreiche Kameras auf den kleinen Ort im Sternberger Seenland: Das Chorgestühl, ursprünglich auf das erste Drittel des 14. Jahrhunderts datiert, hatte sich bei einer dendrochronologischen Untersuchung als deutlich älter erwiesen. Und dabei geht es nicht nur um die Korrektur von einem Dreivierteljahrhundert: Das Gägelower Chormöbel gilt zurzeit als das älteste bekannte vollständige Kunstwerk dieser Art in Deutschland.Das ist insofern bemerkenswert, weil es in einer Zeit entstand, als die Christianisierung Mecklenburgs gerade erst begonnen hatte. Im 12. Jahrhundert strömten nach den Siegen der Sachsen über die Slawen immer mehr Siedler ins Land. Jetzt erstarkte auch das Chris­tentum außerhalb der großen Herrschaftszentren. Die ersten Sakralbauten auf dem Lande waren Anfang des 13. Jahrhunderts noch aus Holz, wurden aber in der Mitte des Säkulums durch steinerne Kirchen ersetzt.

Orgelkonzert
Regelmäßig finden Orgelkonzerte in der Kirche statt.

Auch in Gägelow, dem „Entenort“, entstand jetzt ein respektables Gotteshaus: mit Feldsteinmauern, Chor und Schiff. Interessant: Diese Kirche ist jünger als das Chorgestühl – die Holzanalyse lügt nicht. Der Schweriner Dendrochronologe Tilo Schöfbeck hat bei der Untersuchung bestimmt, dass die Eichen für das Gestühl im Winter 1247/48 gefällt wurden. Aus diesem Grund geht er für das Chormöbel von einem Entstehungsjahr 1248 aus –das Holz wurde frisch verarbeitet. Chor und Kirchenschiff der Gägelower Kirche wiederum entstanden in den 1260er Jahren. Für das Gestühl muss es also ein Intermezzo gegeben haben – möglicherweise im nicht weit entfernten Dobbertiner Kloster. Für eine hölzerne Vorgängerkirche gibt es direkt in Gägelow keinen Nachweis, für Kirchen in einigen benachbarten Orten dagegen schon.
Wie dem auch sei: Die Kirche gedieh und bildete über Jahrhunderte das Herz des Ortes. Ihr Stil ist frühgotisch. Das Baumaterial fand sich mit den Feldsteinen in der Umgebung, was den Sakralbau zu einer typischen mecklenburgischen Dorfkirche macht. Lediglich die Fenster und Türen der Seitenwände sind in Ziegeln eingefasst.

Chorgestühl
Die Neudatierung des Chorgestühls wurde 2024 zur Sensation.

In den Jahrbüchern des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde widmete der großherzogliche mecklenburg-schwerinsche Archivar und Konservator Friedrich Lisch 1859 der Gägelower Kirche eine umfassende Betrachtung. Zwei Jahre zuvor hatte Landbaumeister Voß aus Schwerin hier eine „notwendige, vollständige Restauration“ geleitet und bei dieser Gelegenheit auch neue Tünche an die Wände gebracht. Fast klingt es wie eine Rechtfertigung, wenn Lisch schreibt, warum die Ende des 17. Jahrhunderts entstandenen Ausmalungen dreier Gewölbe dabei untergingen: Roh und wertlos seien diese gewesen, dies gelte auch für den Inhalt der Malereien als „sinnliche Allegorien“ die „Macht des Wortes Gottes und der Kirche zu versinnbildlichen“. Lisch schloss mit einem „Es ist gewiss kein Verlust!“. Die alte Malerei der Kirche sei dagegen von großer Wichtigkeit – gewähre sie doch einen Blick in die Ausschmückung von Kirchen in alter Zeit.

Ein anderes Bild schmückt den Altar. Der Schweriner Maler Theodor Fischer-Poisson schuf es in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es zeigt den auferstandenen Christus – und das inzwischen in einem neuen Glanz. Die Restauratorinnen Felicitas Klein und Sabine Princ restaurierten das Bild 2020 – unentgeltlich. Dieses Engagement fügt sich in viele weitere Bemühungen, die Gägelower Kirche als kulturellen Schatz zu fördern. 2018 wurde ein Förderverein gegründet, der seitdem schon viel bewirkt hat. Und auch für Besucher macht der engagierte Kreis das Gotteshaus wieder erlebbar – zum Beispiel im Rahmen der Konzertreihe „Musik in alten Mauern“.

Katja Haescher