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Alle wollen in die Pilze

  • Portrait

Lothar Strelow kennt sich mit Lamellen & Co. bestens aus und nimmt Sammler in den Wald mit

Pilzberater Lothar Strelow aus Techentin leitet jeden Mittwoch im Oktober eine Pilzwanderung, die vom Karower Meiler aus startet. Nach dem trockenen und pilzarmen September finden die zahlreichen Interessierten nun endlich ausreichend „Schwammerln“. Strelow, der seit zwanzig Jahren als ehrenamtlicher Pilzberater wirkt, gibt sein Wissen gern und anschaulich weiter. „Es ist wichtig, dass die Leute die Pilze mit ihren Eigenschaften kennen und voneinander unterscheiden können. Denn auch unter den unbekannteren Arten gibt es exzellente Speisepilze. Viele haben aber ungenießbare oder sogar giftige Doppelgänger.“

Lothar Strelow
Lothar Strelow zeigt Teilnehmern der Pilzwanderung, wie sich essbare Pilze erkennen lassen.
Foto: Beate Diederichs

Nach der Pilzwanderung müsste Lothar Strelow eigentlich für den Tag satt sein. Denn der 66-jährige bückt sich aller paar Schritte, schneidet einen kleineren oder größeren Pilz ab, schnippelt sich ein Stück davon ab und steckt es in den Mund. So testet er den Geschmack der verschiedenen Täublinge, von denen hier im Waldstück bei Karow unzählige Exemplare wachsen – mit roten, braunen oder grauen Hüten und hellen Lamellen. Mild heißt dabei in der Regel essbar, scharf zumindest ungenießbar. „Ein rohes Stück vom Pilz zu kosten, geht aber nur bei den Täublingen. Die meisten anderen Arten sollte man nicht ungekocht essen“, rät Lothar Strelow, bevor er einen Blick auf die „Schwammerln“ wirft, die zwei der Teilnehmer ihm entgegenhalten.

Der ehrenamtliche Pilzberater aus Techentin bietet jeden Mittwoch im Oktober Pilzwanderungen an. Dort zeigt Lothar Strelow den Interessenten zunächst Exemplare regionaler Arten, die er vorher gesammelt hat. Dann geht es mit den privaten Pkw zu einem Waldstück in der Nähe, das er ausgewählt hat. „Es ist gar nicht so einfach, jede Woche ein passendes Stück zu finden, wo genügend Pilze für die Teilnehmer wachsen, berichtet er. Strelows unterhaltsam geführte Exkursionen stoßen auf viel Resonanz. Diesmal sind trotz Nieselregens fast dreißig Leute gekommen. „Idealerweise ist die Gruppe so um zehn Leute groß. Denn da kann ich allen gerecht werden und zum Abschluss in alle Körbe gucken.“ Trotzdem nimmt der Pilzberater natürlich alle mit, weil er sich über das Interesse freut. „Wir gehen heute aber nicht in den Wald, um unsere Körbe zu füllen, sondern um neue Pilzarten kennen zu lernen.“ Denn nicht wenige Menschen würden Exemplare am Wegesrand stehen lassen, die eigentlich exzellente Speisepilze sind, weil sie über ihre Eigenschaften nicht Bescheid wüssten. In dem nach dem trockenen und daher pilzarmen September nun dank der Nässe vor Pilzen überquellenden Wald weist Lothar Strelow die Teilnehmer immer wieder auf zwei Arten mit gräulichem Hut hin, die sich sehr ähnlich sehen. Der essbare Perlpilz wird aber beim Anschneiden rot, der sehr giftige Pantherpilz bleibt weiß. Vor Hilfsmitteln wie Pilz-Apps warnt der Berater ausdrücklich: Diese würden oft falsche Informationen „ausspucken“. Es sei immer ratsam, die Ergebnisse durch eigenes Wissen zu überprüfen. „Was man über die verschiedenen Pilzarten weiß, kann sich über die Jahre auch ändern. So galten zum Beispiel der Kahle Krempling oder der Grünling früher als Speisepilze, bis man feststellte: Bei Konsumenten mit der entsprechenden Veranlagung können sie toxisch wirken und sogar zum Tode führen“, erzählt Strelow, der bei sich zu Hause auch Pilzbestimmungen durchführt.

Der 66-jährige aus Techentin hat sein Arbeitsleben im Gasbetonwerk Parchim verbracht. „Sechsundvierzig Jahre arbeitete ich im Drei-Schicht-System“, berichtet er. Kein Wunder, dass es ihn in seiner Freizeit in die Natur zieht, in den Wald. Seit seiner Jugend sammelt er gerne Pilze. Die umfangreiche Pilzausstellung eines Kollegen beeindruckte ihn so sehr, dass er dem nacheifern wollte: Vor mehr als zwanzig Jahren absolvierte er den Lehrgang zum Pilzberater. Darin geht es um die verschiedenen Arten mit ihren Eigenschaften, um Vergiftungen und wie man sie erkennt und behandelt, aber auch um allgemeinere Themen wie Naturschutz. Seit er die Prüfung dazu bestand, darf er Pilzwanderungen und Pilzberatungen durchführen. „Mich motiviert vor allem, dass ich mit meinem Wissen dazu beitragen kann, Pilzvergiftungen aufzuspüren und den Betroffenen zu helfen.“ Zweimal jährlich muss er als Pilzberater sein Wissen auffrischen. „In einem der letzten Kurse ging es darum, welche Probleme Pilze im Haushalt bereiten können. So hatte ein Kleinkind von den Tintlingen gegessen, die aus der Baumarkt-Blumenerde gesprossen waren. Zum Glück war die Vergiftung nicht lebensgefährlich.“ Bei Studien hätten seine Kollegen und er auch schon festgestellt, dass aufgrund veränderter Wetterbedingungen manche Pilze fast völlig verschwunden seien, wie zum Beispiel der Lila-Stiel-Rötel-Ritterling, die Rotkappe oder der Grünling. „Auch der essbare Wiesenchampignon ist auf dem Rückzug, weil sein natürliches Habitat – vom Vieh beweidete Wiesen – schwindet.“ Sein giftiger Vetter, der Karbolchampignon, fühlt sich allerdings am Wegesrand und in Gärten wohl und gedeiht prächtig.

Zum Schluss noch eine positive Nachricht: In diesem Jahr kamen Steinpilzfans auf ihre Kosten. Der schmackhafte Speisepilz war zahlreich in den Wäldern zu finden – und weil er oft in mehreren Schüben wächst, hatten Feinschmecker lange etwas davon.
Beate Diederichs