In Dobbertin jährt sich in diesem Jahr die Gründung des Konvents zum 800. Mal
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal im Kloster Dobbertin, das in diesem Jahr 800 Jahre Geschichte feiert.
Es war im Jahr 1220, als Benediktinermönche am Ufer des Jawir-Sees ein Kloster gründeten. Lange blieben sie nicht: Schon zwischen 1231 und 1234 folgten Nonnen des gleichen Ordens und übernahmen bereits einige Bauten und ein kleines Bethaus. Im Laufe der Zeit wuchs daraus eine Anlage, die zu den am besten erhaltenen Klöstern im Land zählt. Und so sind es heute 800 Jahre Mecklenburger Geschichte, die hier geschrieben wurden. Aufmüpfige Nonnen und tugendhafte Damen, Küchenmeister und Hexen, der Dichter Fontane und viele andere spielten darin eine Rolle.
Ora et labora. Bete und arbeite. Diese Säulen bestimmten den Tagesablauf. Fürs Gebet und den Gottesdienst entstand im 13. Jahrhundert eine Kirche mit Empore. Dort versammelten sich die Benediktinerinnen bereits in aller Frühe zum Morgenlob – auch deshalb schloss sich unmittelbar das Dormitorium, der Schlafsaal, an. Die Oberkirche verfügte über einen eigenen Altar und ein eigenes Chorgestühl. Beides ist nicht erhalten. Ans Mittelalter erinnern hier heute neben der Gliederung nur noch einige Fugenmalereien.
Angesichts einer zugemauerten Tür erzählt Klosterführer Horst Alsleben, der hier viele Jahre als verantwortlicher Bauleiter tätig war, eine besondere Geschichte. Als in Zeiten der Reformation den Klöstern Säkularisierung drohte, wollten sich die Dobbertiner Nonnen damit nicht abfinden. Eine herzogliche Visitationskommission, die für die Durchsetzung der neuen Lehre sorgen sollte, empfingen sie mit Steinwürfen und Wassergüssen von der Empore. Die Tür zwischen Dormitorium und Kirche wurde daraufhin zugemauert. Trotzdem dauerte der „Nonnenkrieg“ mehrere Jahre und so manche Kommission musste unverrichteter Dinge abziehen, während die Schwestern längst wieder die Horen sangen.
1572 war damit Schluss. Das Kloster wurde in ein „evangelisches Damenstift zur christlichen Auferziehung inländischer Jungfrauen“ umgewandelt. Inländisch bedeutete mecklenburgisch – und wieder ist es die Empore, die von dieser Geschichte erzählt. Aktuell wird hier gebaut, aber nach Fertigstellung der Oberkirche werden mehr als 150 aus Zinn gefertigte Wappen an der Wand in altem Glanz erstrahlen. Sie sind ein „Who ist Who“ der mecklenburgischen Adelsfamilien, die ihre Töchter in Dobbertin unterbrachten. Auch ein Kanzelaltar und Adelslauben aus dem 18. Jahrhundert sind hier erhalten.
Viel gibt es noch zu sehen. Den Kreuzgang mit jahrhundertealten Grabplatten. Das Refektorium, später Teil der Wohnung der Klosterdame und Fontane-Freundin Mathilde von Rohr, die den Dichter hier auch zu Gast hatte. Gefängniszellen, in denen der Hexerei Beschuldigte und andere Delinquenten bis zu ihren Prozessen schmorten. Die Wohnhäuser der Damen und die Häuser von Klosterhauptmännern und Küchenmeistern. Letztere waren Geschäftsführer und Finanzbeamte des Klosters, das im 19. Jahrhundert zu den größten Wirtschaftsunternehmen Mecklenburgs zählte – mit Land- und Forstwirtschaft, Handwerk und Betrieben.
Heute ist die Anlage Sitz des Diakoniewerks Kloster Dobbertin. Hier leben, lernen und arbeiten behinderte Menschen, deren Privatsphäre Touristen bei ihren Besuchen akzeptieren müssen. Davon abgesehen ist viel Raum für ein harmonisches Miteinander. Spazierwege am wunderschönen See, jahrhundertealte Bäume und die Klostergastronomie laden ein. Am liebsten, so schrieb Fontane, wäre er alle sechs Wochen nach Dobbertin gereist: „… um die verbrauchten Nerven durch Ruhe, frische Luft und Rotwein wiederherzustellen“. Katja Haescher