Schlossanlage in Raben Steinfeld soll mit Leben gefüllt und überregional bekannt gemacht werden
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: im Schloss Raben Steinfeld, das die Gemeinde und ein Förderverein mit neuem Leben füllen wollen.
Zugegeben: Schön ist nicht das erste Wort, das beim Anblick von Schloss Raben Steinfeld in den Sinn kommt. Aber mindestens das dritte oder vierte – nachdem Wörter wie eindrucksvoll, toll gelegen und sehr sanierungsbedürftig gedacht sind. Die Gemeinde Raben Steinfeld und der 2019 gegründete Kultur- und Schlossverein wollen dafür sorgen, dass „schön“ wieder an die erste Stelle rückt – und die Schlossanlage mit neuem Leben füllen.
Dass hier am Ufer des Schweriner Sees ein Schatz gehoben werden kann, ist schnell klar. Die historische Raumstruktur, Stuck und alte Fliesenböden, das Treppenhaus mit dem schmiedeeisernen Geländer, versteckte Steinmalereien, Paneele und historische Tapeten harren ihrer Wiederentdeckung – so wie viele weitere architektonische Details des von Hermann Willebrand entworfenen Baus. Der Oberhofbaurat errichtete in den Jahren 1886 und 1887 das Schloss im Auftrag von Großherzog Friedrich Franz III. als Sommerresidenz des Schweriner Hofs an der Stelle eines alten herzoglichen Jagdhauses.
Später diente das Gebäude Marie von Schwarzburg-Rudolstadt, der dritten Frau des Großherzogs Friedrich Franz II. und Stiefmutter des amtierenden Herrschers, als Witwensitz. „Sie soll oft hier am Steilufer gesessen und über den See in Richtung Schweriner Schloss geblickt haben“, sagt Bürgermeister Klaus-Dieter Bruns. Und man glaubt es aufs Wort, denn auch wenn die Bäume inzwischen viel höher gewachsen sind, hat der Platz am See nichts von seinem Reiz verloren. Ob dies der Grund dafür war, dass die niederländische Königin Wilhelmina diesen Ort liebte?
Ihr Prinzgemahl Heinrich zu Mecklenburg war der jüngste Sohn von Friedrich Franz II. und Marie von Schwarzburg-Rudolstadt und beim Tod seines Vaters gerade einmal sieben Jahre alt gewesen. Er hatte Jahre seiner Kindheit und Jugend in Raben Steinfeld verbracht und so war das Ehepaar – übrigens die Urgroßeltern des heutigen Königs Willem-Alexander – auch später hier zu Gast.
Heinrichs älterer Bruder Adolf Friedrich wiederum schrieb 1909 in „Rabensteinfeld“, wie er es selbst im Vorwort nennt, seinen Bericht über die von ihm 1907/08 geleitete Forschungsreise in das Gebiet des Zentralafrikanischen Grabens, die 1909 unter dem Titel „Ins innerste Afrika“ erschien. Der Forschungsreisende und letzte Gouverneur der deutschen Kolonie Togo wurde 1949 erster Präsident des Deutschen Olympischen Komitees.
Eine Menge Geschichte also, die im Schloss Raben Steinfeld steckt. Das letzte Mitglied der herzoglichen Familie, Elisabeth zu Mecklenburg, hatte 1945 das Schloss verlassen. Durch Heirat Großherzogin von Oldenburg war sie 1910 zu ihrer Mutter Marie nach Raben Steinfeld geflohen, nachdem sie ein Verhältnis mit dem Hauslehrer ihrer Kinder angefangen und später die Trennung von ihrem Mann angestrebt hatte. Schloss Raben Steinfeld wurde 1945 von der Roten Armee besetzt. Zwischen 1947 und 1995 beherbergte es eine Forstschule – Unterrichtsräume sind noch heute erkennbar.
Nach dem Rückkauf durch die Gemeinde Raben Steinfeld 2019 soll nun nach jahrelangem Leerstand ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Hugo Klöbzig, Vorsitzender des Kultur- und Schlossvereins, sieht wie Bürgermeister Bruns das Gebäude als kulturellen Mittelpunkt der Region mit überregionaler Strahlkraft. Denkbar seien museale und gastronomische Angebote, Trauungen, Kongresse und Tagungen, Ausstellungen, Märkte, Familienfeste und andere Feiern.
In Zusammenarbeit mit weiteren Fördervereinen der Region – unter anderem der Schlösser Schwerin, Ludwigslust und Gadebusch – hat ein reger Ideen-Transfer begonnen. In den großen Ferien, hofft Klöbzig, könnte vielleicht ein Sommerfest in dem wunderbaren Park möglich sein. Und natürlich hoffen er und seine Mitstreiter, möglichst viele Menschen für das Schlossprojekt begeistern zu können. Denn hier wartet eine echte Gemeinschaftsaufgabe.
Katja Haescher