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Der Traum vom Weinberg

Juliane und Wolfgang Dähn haben Rebstöcke nach Dorf Mecklenburg gebracht

So mancher gestresste Großstädter träumt vom Weinberg: den Strohhut aufsetzen, ein bisschen an den Reben schnippeln, abends ein Gläschen genießen … Das klingt nach Erholung und ist eine Illusion. Denn ein Weinberg bedeutet vor allem eins: viel Arbeit. Für Juliane und Wolfgang Dähn in Dorf Mecklenburg bedeutet er gleichzeitig aber auch Faszination, Leidenschaft und das gute Gefühl, am Ende der Saison etwas Selbstgeschaffenes in den Händen zu halten.

Im Weinberg: Wolfgang und Juliane Dähn setzen hier zum größten Teil auf Handarbeit.
Foto: Haescher

Aber wie war das noch gleich: Dorf Mecklenburg? Immerhin: Zum Weinberg führt die Straße schon mal nach oben, sieben Prozent Steigung sind drin. Und dann sind sie da: Reihe für Reihe ziehen sich die Reben über die mecklenburgische Endmoräne. Auf einem halben Hektar gedeihen hier Sorten wie Rondo, Solaris und Souvignier Gris. Am Rand steht der Wohnwagen von Juliane und Wolfgang Dähn. Zu Hause sind sie mit ihren Kindern im wenige Kilometer entfernten Beidendorf, aber wenn viel zu tun ist, bleiben sie auf dem Weinberg.
Beide sind Mecklenburger. „Wäre ich nicht in Wismar geboren worden, wäre ich wohl der Mecklenburger schlechthin“, sagt Wolfgang Dähn – immerhin gilt Dorf Mecklenburg als die Wiege des Landes. Julianes Wiege stand in Potsdam, aber „nobody is perfect“, meint Wolfgang lachend – und außerdem ist sie in Bad Kleinen aufgewachsen. Echte Mecklenburger also, die Winzer geworden sind. „Mein Mann war oft beruflich in Frankreich unterwegs und hat dann von dort Wein mitgebracht“, sagt die 34-Jährige. Außerdem sah Wolfgang Dähn im Nachbarland, dass nicht alle Winzer ein klassisches Weingut betreiben – es gab auch Ackerbaubetriebe, zu denen Weinanbauflächen gehörten. Eine Idee begann zu reifen: Wir machen das hier auch.
In den Köpfen des Ehepaars nahm der eigene Weinberg 2016 seinen Anfang. In Dorf Mecklenburg konnten Dähns die Anbauflächen pachten. Sie kauften Kellerausstattung und Reben, wälzten Literatur, rechneten, telefonierten mit Fachleuten. Und erhielten bei den Menschen in ihrer Umgebung positive Resonanz. „Das hat mich fast schon ein bisschen beunruhigt“, gesteht Wolfgang Dähn. 2021 dann die Jungfernlese – und daraus im Frühjahr 2022 die ersten 1300 Flaschen Wein in Weiß und Rosé. Im Herbst kamen die ersten Rotweine dazu, so dass Dähns jetzt alle drei Farben anbieten.
Und das aktuell in „Feierabend­arbeit“: Juliane Dähn fährt jeden Tag nach Schwerin, wo sie als Sozialpädagogin arbeitet. Wolfgang Dähn ist nach Landwirtschaftsausbildung und Landwirtschaftsstudium inzwischen als Sachverständiger und Unternehmensberater im Agrarbereich tätig. Und wenn andere Menschen nach dem Arbeitstag den Computer herunterfahren und die Beine hochlegen, geht es bei ihnen noch mal richtig los. Aktuell müssen die Reben ausgebrochen werden – das heißt, es werden Triebe und auch Fruchtansätze entfernt, um dem Stock gesundes Wachstum und dem Wein ausreichend Extraktstoff zu sichern. Gleichzeitig ist es ein Prozess des ständigen Lernens: „Ich habe gerade gelesen, dass sieben Blätter pro Traube an der Pflanze sein sollen“, sagt Juliane Dähn, die schon einen Teil der Reben ausgebrochen hat.
Wie schaffen die beiden das, wenn der Blick über Reihe um Reihe um Reihe schweift? „Einfach reinsetzen und anfangen“, lautet der Tipp von Wolfgang Dähn, während seine Frau dafür plädiert, das Ganze auch zu genießen.
Apropos genießen – beim Wein ja ein durchaus wichtiger Aspekt. Für die Dorf Mecklenburger Winzer ist ihr Wein ein lebendiges Wesen und deshalb schreiben sie ihm Eigenschaften zu: Im ersten Jahr war der Cabernet Cortis zum Beispiel überraschend, im zweiten dann aufstrebend. Andere Sorten sind lebendig, reizvoll, anziehend. „Natürlich könnte ich bei Verkostungen auch davon reden, dass der Wein adstringierend ist oder polyphenolisch“, sagt Wolfgang Dähn. „Aber das ist hier nicht die richtige Zielgruppe und auch im Süden verstehen das nicht viele.“
Vielmehr setzen die Jungwinzer auf das wichtigste Kriterium: Schmeckt. Stolz ist der 33-Jährige auf zwei Silbermedaillen und eine goldene, die es beim PiWi Wine Award International 2023 gab.
Vielleicht wird Mecklenburg-Vorpommern ja bald Weinland? Und wenn, dann auf jeden Fall mit norddeutschem Einschlag – die Kellerei von Dähns befindet sich in zwei Überseecontainern aus dem Hamburger Hafen. „Die lassen sich ohne Probleme auf die entsprechende Temperatur bringen“, sagt Wolfgang Dähn und räumt gleich mit dem Vorurteil auf, dass Wein besser in alten Gewölben reift. „Kaum ein Neubau entsteht heute noch unterirdisch, weil Hochbauten gut isoliert und die Arbeitsbedingungen besser sind.“
Ist bei so viel Arbeit eigentlich noch Zeit für etwas anderes? „Klar“, sagen beide und erzählen vom Kochkurs und dem jüngsten Familienurlaub mit der vierjährigen Tochter und dem zweijährigen Sohn in Franken. „Aber nicht in Weinfranken“, sagt Wolfgang Dähn, „sondern in Bierfranken“. Denn manchmal braucht man ja auch eine Pause.

Katja Haescher

www.wein-mv.de