Schweizerhaus im Ludwigsluster Schlosspark erzählt von der Sehnsucht nach der Idylle
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: im Schweizerhaus im Ludwigsluster Schlosspark, das von der Sehnsucht einer Herzogin nach der ländlichen Idylle erzählt.
Das 18. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs. Die Aufklärung
ließ eine neue Empfindsamkeit entstehen, Rousseau proklamierte eine Rückkehr zum Naturzustand und Herzogin Luise in Ludwigslust wünschte sich ein Stück vom idyllischen Landleben. In den Jahren 1789 und 1790 entwarf und baute Johann Joachim Busch im Auftrag von Herzog Friedrich Franz I. deshalb einen Sommersitz im Landhausstil. Und fragte man damals, wer den erfunden hat, lautete die Antwort ganz klar: die Schweizer! Das Alpenvolk, so die vorherrschende Meinung, sei rein und natürlich, wovon sich wiederum durch eine Nachahmung des Baustils eine gute Scheibe abschneiden ließe. So entstanden zu dieser Zeit vielerorts Bauwerke, die ob ihres Stils Schweizerhaus genannt wurden. In Ludwigslust baute Busch ein neunachsiges Gebäude mit Reetdach und bewusst einfachen weiß verputzten Wänden. Gärten und landwirtschaftliche Nutz- und Weideflächen umgaben das Haus und machten die Suggestion einer Dorflandschaft perfekt. Hier verbrachte Herzogin Luise die Sommerfrische und gern auch die Wochenenden abseits des Hofzeremoniells.
„Das Schweizerhaus ist allerliebst“, stellte Johann Stephan Schütze in seinen 1812 veröffentlichten „Humoristischen Reisen durch Mecklenburg, Holstein, Dänemark, Ostfriesland etc.“ fest. Wie in einer Frauenzeitschrift wandte sich der Autor bei der Beschreibung der Räume ausdrücklich an die Leserinnen – möglicherweise in der Annahme, dass diese an den Wohnverhältnissen des Adels mehr interessiert wären als lesende Herren. „Ein Schlafzimmer der regierenden Herzogin, so niedlich klein (es fehlt mir am Verkleinerungswörtchen, um die Niedlichkeit anschaulich zu machen)“, schreibt Schütze und außerdem:
„Es ist nicht viel zu sehen, aber viel Hübsches“, die Zimmer „simpel, aber nett verziert“. Luise allerdings lebte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr: Sie war 1808 gestorben und ruht unweit ihres Landhauses in dem für sie errichteten Luisen-Mausoleum im Schlosspark. In Erinnerung an die Herzogin wurden am Schweizerhaus weiterhin weiße Tauben gehalten. Um Tiere und Haus kümmerte sich ein so genannter „Schlafdienst“: Das waren Bedienstete wie Hofgärtner oder Gartenvögte, die im Schweizerhaus übernachteten, die Tauben fütterten und das Gebäude in einem guten Zustand hielten. Die monatliche Entschädigung von 5 Mark war dazu ein gutes Salär. Bis 1918
soll es diesen Schlafdienst gegeben haben.
Nachdem 1920 der Jungdeutsche Bund das Schweizerhaus übernommen hatte, wurde es Landesjugendheim, 1933 wurde der Mietvertrag dann mit dem Reichsbund für Deutsche Jugendherbergen geschlossen. Während des Zweiten Weltkrieges und kurze Zeit danach hielten sich außerdem Tuberkulosekranke im Schweizerhaus auf. 1947 war es die FDJ, die das Cottage als Jugendstätte erhielt. Zu diesem Zeitpunkt soll das Schweizerhaus
bereits einen verwahrlosten Eindruck gemacht haben und die Freie Deutsche Jugend rief in pathetischen Worten zum Aufbau der künftigen Kulturstätte auf.
Nächster im Bund der Nutzer war in den 1960er-Jahren die HO, die hier ein Naherholungszentrum mit Gaststätte etablierte. Eine Minigolfanlage sorgte genauso wie regelmäßige Platzkonzerte und Volksfeste dafür, dass die Ludwigsluster in Scharen zu Luises Häuschen pilgerten. In den 1990er-Jahren dann ein ähnliches Bild: Das Haus verfiel. Dass es dennoch Schätze enthielt, wurde 1997 besonders deutlich, als im Obergeschoss wertvolle Wandmalereien aus der Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt wurden. Im Jahr 2000 begann die Stadt Ludwigslust,
das Schweizerhaus zu sanieren.
Allerdings gingen gastronomische Konzepte nicht auf: Die Lage mitten im Park machte die Nutzung über den Saisonbetrieb hinaus schwierig, es gibt keine Gästeparkplätze vor der Tür.
Seit 2014 gehört das Schweizerhaus dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Es ist einer der Schätze in der zwischen 2008 und 2013 sanierten Parkanlage. Und wo die Herzogin einst im „Schooße der Natur“ die „Luft der Freiheit und des Glücks“ atmete, genießen heute Spaziergänger einen der größten und schönsten barocken Schlossparks Norddeutschlands – Idylle für alle inklusive.
Katja Haescher