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Dorfkirche aus dem Mittelalter

Schlagsdorfer Gotteshaus geht bis in die Zeit deutschsprachiger Besiedlung zurück

Die Schlagsdorfer Kirche mit der Gerichtslinde Foto: Katja Haescher

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: in der Dorfkirche Schlagsdorf, die im 12. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde.

Wie alt? Je weiter es auf dem Zeit­strahl zurückgeht, umso schwieriger ist diese Frage zu beantworten. Oft sind es kleine Schriftvermerke, die Auskunft geben. Mit ihnen taucht eine Kirche in Schlagsdorf im 12. Jahrhundert zum ersten Mal aus dem Dunkel der Geschichte auf. Das Gotteshaus entstand im Zuge der Christianisierung der Region als Filialkirche des Ratzeburger Klosters.

Und wer den nur wenige Kilometer von Schlagsdorf entfernt gelegenen Ratzeburger Dom kennt, glaubt sogar Ähnlichkeiten zu erkennen – fast so, als sollte ein Stück Glanz des Großen auch nach „Slaukestorp“ geholt werden. „Die Kirche ist nach dem Vorbild des Doms entstanden“, bestätigt Pastorin Hanna Blumenschein. Und immer wieder kreuzten sich in den folgenden Jahrhunderten die Wege. Da wäre zum Beispiel der aus dem Jahr 1641 stammende Altar zu nennen, ein Werk Gebhardt Jürgen Tiedtkes, der ein ähnliches Stück zuvor auch für die Ratzeburger geschaffen hatte. Und als der Kirchenraum des Doms eingewölbt wurde, war den Schlagsdorfern die ursprüngliche Flachdecke ihres Gotteshauses auch nicht mehr gut genug. Aber vielleicht sollte man die Kirche im Dorf und das Vergleichen lassen, denn die Schlagsdorfer Kirche – wenngleich einige Nummern kleiner – hat ihren eigenen Reiz.

Sie ist eine von wenigen zweischiffigen Hallenkirchen in Norddeutschkand. „Ein Architekturprofessor aus Kiel kommt regelmäßig mit den Teilnehmern seiner Kurse hierher“, sagt Hanna Blumenschein. Und auch ihr gefällt der von mächtigen Säulen geteilte Kirchenraum – auch wenn das bedeutet, dass zum Beispiel nach einer Hochzeit das Paar nicht Hand in Hand durch den Gang schreiten kann. „Einer meiner Vorgänger, Pastor Krause, hat immer gesagt, dies sei wie im echten Leben. Man geht ein Stück des Weges getrennt, dann wieder gemeinsam“, sagt die Pastorin.

Das Kirchenschiff ist der älteste Teil des Bauwerks und datiert noch auf die spätromanisch-frühgotische Periode. Ende des 15. Jahrhunderts kamen der Chor und Mitte des 16. Jahrhunderts der Turm dazu. Auch zur Ausstattung gibt es viel zu erzählen. Etwas Besonderes ist zum Beispiel der Leuchter mit einer Darstellung des Heiligen Georgs nebst Drachen zwischen zwei Geweihstangen. Und ein ganz außergewöhnliches Stück können die meis­ten gar nicht sehen, sondern nur hören: eine Glocke aus dem russischen Nowgorod, gegossen im Jahr 1559. Sie bildet zusammen mit den Glocken von 1578 und 1649 das historische Geläut der Kirche. Die Schlagsdorfer erwarben die Glocke in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Lübeck. Sie stammte aus der Kirche der 40 Märtyrer in Nowgorod, die 1569 genauso wie die Stadt von den Soldaten Iwan des Schrecklichen verwüstet worden war. Hanseatische Kaufleute hatten die Glocken daraufhin über die Ostsee an die Trave gebracht.

Und das sind der abenteuerlichen Geschichten noch nicht genug. Da wäre noch die Legende um die Linde auf dem Kirchhof, unter die Herzog Magnus von Sachsen 1518 die Schlagsdorfer Bauern zu einem Landgericht berufen hatte. Als Austragungsort für eine solche Veranstaltung muss der Baum schon damals recht stattlich gewesen sein. Und glaubt man eine Sage, dann wäre die Gerichtslinde sogar so alt wie die Kirche. Denn hier, so wird erzählt, soll der Schimmel begraben worden sein, der die Steine für den Bau herangezogen hatte. Ob das stimmen kann? Die Pastorin jedenfalls meint, dass diese Sage nicht einfach nur vom Pferd erzählt. Plausibel erscheint ihr die Erklärung eines Regionalhistorikers, der darin ein Sinnbild für den Übergang zum Christentum in einer slawisch geprägten Region sieht: das weiße Pferd als heiliges Tier der Slawen, mit dessen Tod etwas Neues beginnt – und trotzdem auf das Alte aufbaut. 

Katja Haescher