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Ein einzigartiger Stoff

Im Lehmmuseum in Gnevsdorf können Besucher das faszinierende Baumaterial Lehm kennen lernen

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: in Deutschlands einziges Lehmmuseum in Gnevsdorf südlich von Plau am See.

Scheune Lehmmuseum
Die Feldsteinscheune wurde denkmalgerecht zum Museum umgebaut.

Die alte Seemann-Scheune, ein Feldsteinbau mit Reetdach, der 1867 von der Familie Seemann errichtet wurde, bildete einst mit einer weiteren Scheune und dem Hauptgebäude einen Dreiseitenhof. „Wie alte Fotos und Dokumente zeigen, hielt man im unteren Teil der Scheune Schafe, Ziegen und Kühe. Oben waren die Getreidevorräte untergebracht“, erzählt Uta Herz. Die Bauingenieurin leitet die Europäische Bildungsstätte für Lehmbau im zwei Kilometer entfernten Wangelin, die eng mit dem Lehmmuseum zusammenarbeitet und seit 2021 sein Träger ist. Uta Herz hat sich eingehend mit der Geschichte der Feldsteinscheune beschäftigt. Daher weiß sie: Nach langer Vernachlässigung waren die Gebäude des Dreiseitenhofes spätestens zur Wendezeit verfallen und kaum noch zu retten. „Die Gemeinde hat den Seemanns die Feldsteinscheune abgekauft. Der Verein zur Förderung ökologisch-ökonomischer Lebensverhältnisse westlich des Plauer Sees, kurz FAL, sanierte sie und baute sie zum Museum aus.“ Mit Mitteln aus dem europäischen LEADER-Programm und mit der tatkräftigen Unterstützung durch ABM-Kräfte setzte er von 1996 bis 1999 die Scheune wieder instand. Im Juli 1999 öffnete das Museum darin seine Pforten. Seitdem sind rund 25 Jahre vergangen, so dass im Sommer 2024 ein bedeutender Geburtstag ansteht.

Lehmbackofen
Fürs Schaubacken im Lehmbackofen gibt es regelmäßig Termine.

Heute beherbergt das Haus, das auf einer Fläche von rund 360 Quadratmetern steht, im Erdgeschoss eine Dauerausstellung über das einzigartige und vielfältig nutzbare Material Lehm. Als Bodenschatz wurde und wird er in der Region gefördert, als Baustoff dient er Mensch und Tier – dem Menschen beispielsweise als Stoff für Ziegel, dem Tier als Bindematerial für Nester. Verschiedene kulturelle Facetten des Lehms werden auch in den Sonderausstellungen unterm Dach sichtbar. Diese wechseln in der Regel jährlich. Anfang Mai löst so „Buddhistische Malerei auf Lehmwänden im Himalaya“ zur Arbeit der französischen Restauratorin Anca Nicolaescu eine Exposition zu Lehmputztechniken in Japan ab. „Das Lehmmuseum ist das einzige seiner Art in Deutschland und international vernetzt“, sagt Uta Herz.

Modell Rundscheune
Ein Exponat der Dauerausstellung ist das Modell einer Mecklenburgischen Rundscheune.

Ein großer Teil der Aussteller findet seinen Weg ins Museum über die Kontakte des Bildungszentrums. „Zu mehreren dieser Pioniere des Lehmbaus haben wir unsere eigene Schriftenreihe herausgegeben“, fügt die Ingenieurin hinzu. Da die historische Feldsteinscheune über keine Heizung verfügt, öffnet das Lehmmuseum regulär nur zwischen Mai und Anfang Oktober. Außerhalb der Saison können einzelne Kursteilnehmer des Bildungszentrums auf Wunsch darin Exponate zu bestimmten Bauweisen anschauen. Das Zentrum bietet u. a. Lehrgänge zu Lehmbau, Lehmputz und Strohbau, Ofenbau und zur Arbeit mit Kalk an. Im Museum selbst können Interessierte beispielsweise verschiedene Aktivitäten rund um die jährliche Sonderausstellung, eine Veranstaltung zum Museumstag oder das monatliche Schaubacken im Lehmbackofen auf dem Gelände erleben. Für den normalen Besuch hat das Haus immer Donnerstags bis Sonntags an den Nachmittagen geöffnet.

Golem
Auch das geht aus Lehm: Eine figürliche Darstellung des Golems. Fotos: Beate Diederichs

Was die Mitarbeiter des ehrenamtlichen Teams verbindet, das sich aus dem Förderkreis rekrutiert, ist ihre Faszination für den Stoff Lehm, sein Potenzial und die Geschichte seiner Nutzung. „Anders als in der heutigen Zeit, in der das Bauen damit sehr kostspielig geworden ist, ermutigte man früher nach Krisen die Menschen, Lehm als kos­tengünstiges Material zu verbauen. Es gab ihn nahezu überall. Denn fast alle Dörfer in der Region hatten ihre eigenen Lehmbaugruben“, berichtet Uta Herz. Mit ihrem Team möchte sie das Wissen ihren Zeitgenossen im Bildungszentrum und im Lehmmuseum Gnevsdorf vermitteln.

Beate Diederichs