Es ist ein paradiesisches Plätzchen, das sich hinter der Retgendorfer Kirche in Richtung Schweriner See öffnet. Die Vögel zwitschern auf der Wiese, die Kirschbäume blühen und der Löwenzahn bereitet sich mit seinen Schirmfliegern darauf vor, auch im kommenden Jahr das Grün gelb zu machen.
Aber wer weiß: Vielleicht sieht es dann an dieser Stelle schon ganz anders aus? Der einstige Retgendorfer Pfarrgarten ist Gegenstand eines Projekts des Vereins „5 Türme“ geworden. Ein Kulturgarten soll hier heranwachsen, eingebettet in die Landschaft und verwurzelt in der Gemeinde. „Retgendorf ist ein typisches Straßendorf ohne erkennbares Zentrum“, sagt Lutz Camin, der dem Förderverein der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Zittow-Retgendorf vorsteht. „Mit dem Garten könnte eine grüne Mitte für das Dorf entstehen.“
Dafür sammeln Camin und seine Mitstreiter seit 2018 Ideen über Ideen. Bäume sollen das Areal begrenzen, künftig mit ihren Kronen einen Wandelgang bilden und hier analog zum Kreuzgang eines Klosters zur Kontemplation einladen. Die ersten vier Eckbäume stehen bereits. Jetzt hoffen die Vereinsmitglieder, dass viele Menschen dazu beitragen, die Allee wachsen zu lassen. „Warum nicht aus Anlass einer Taufe oder Hochzeit einen Baum stiften?“, fragt Bernd Broschewitz und zeigt auf die erste Tontafel an einer frisch gepflanzten Felsenbirne, die auf den „5 Türme“-Verein als Spender hinweist.
Der Garten wird aber nicht nur Raum zur inneren Einkehr sein. Er soll Platz für die Erholung bieten und als solcher Anschluss an die „blaue Acht“ – die Radwanderroute um den Schweriner See – finden. Er soll ein Ort der Umweltbildung werden und natürlich einer, an dem die Menschen aus der Gemeinde feiern, zu Festen und Märkten zusammenkommen und Kunst und Kultur erleben. Als einstiger Pfarrgarten und in unmittelbarer Umgebung zur Retgendorfer Kirche könnten hier auch die christlichen Wurzeln abendländischer Kultur sichtbar werden. „Dafür gibt es viele Möglichkeiten. Geschichten lassen sich mit Pflanzen erzählen – wie mit zum Kreuzgang gepflanzten Bäumen“, schwebt Lutz Camin vor. Die Bibel ist dafür eine Inspiration – von weit mehr als 100 Pflanzen ist darin die Rede, Lilie und Klatschmohn, Krokus und Narzisse sind darunter genauso wie Apfel- und Feigenbaum, Hirse und Gerste, Flachs und Weizen.
Das heißt aber nicht, dass die Fläche jetzt komplett umgebrochen und neu bepflanzt wird. Der Pflegeaufwand soll im Rahmen des Möglichen bleiben – auch wenn sich schon heute viele für den Kulturgarten engagieren wollen. Neben dem Förderverein „5 Türme“ sind Gemeinde und Kirchgemeinde mit von der Partie, außerdem der Garten- und Dorfpflegeverein Retgendorf, das Diakoniewerk Neues Ufer, in dessen Trägerschaft sich der Kindergarten des Dorfes befindet, außerdem der Verein „Kunstwerk Leezen“, der Gartenbaubetrieb von Ulrike Liehr und Imker Mirko Lunau aus Ahrensboek.
Und natürlich sind es auch Einwohner der Gemeinde wie Daniela See und Martin Scriba, die die Idee mit tragen und sich vorgenommen haben, im Sommer die jungen, frisch gepflanzten Bäume zu gießen.
Für die Umsetzung der Pläne hat der Verein Fördermittel in Höhe von 7000 Euro von der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung (NUE) zugesagt bekommen – ein Betrag, der einem Drittel der Gesamtkosten entspricht. Das Geld soll zum Beispiel in die Errichtung eines Backhauses fließen. Ein Steinkreis markiert eine Feuerstelle.
Und auch für das Lernen in der Natur gibt es erste konkrete Pläne. Aus diesem Grund schaute sich bei einem Rundgang vor wenigen Tagen auch Anja Kofahl im künftigen Kulturgarten um. Unter dem Namen Naturschule M-V bietet sie Natur- und Waldpädagogik an –nicht im Klassenzimmer, sondern an einem Lernort im Grünen. Vielleicht demnächst auch im Kulturgarten?
Denn es gibt auch ein Datum, das anspornt, die grüne Mitte in Retgendorf zu gestalten. Im Dezember des kommenden Jahres jährt sich die Ersterwähnung einer Kirche an dieser Stelle zum 780. Mal. „Es wäre schön, bis dahin schon einige Bäume mehr gepflanzt zu haben“, hofft Daniela See. Sie liebt an dem künftigen Kulturgarten vor allem den Weg, der sich hinter dem Pfarrhaus in Richtung Wasser schlängelt. Nicht weit entfernt ist auch der Campingplatz, so dass künftig auch von dort Besucher willkommen geheißen werden, um das öffentliche Stück Grün zu genießen. Das Gartentor steht jedenfalls offen – und eine Aufschrift ist Martin Scriba auch schon in den Sinn gekommen: „Pforte zum Paradies“.