Früher wurden im Städtischen Museum Grevesmühlen über 400 Schüler und Schülerinnen unterrichtet
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in das Städtische Museum Grevesmühlen, das ursprünglich als Schule für 452 Schüler diente.
Im Jahr 1853 gab es in Grevesmühlen 452 Schüler, die es zu unterrichten galt. Die bisherige Schule platzte aus allen Nähten: Die vier Klassen fassten über 100 Schüler. Es musste dringend ein neues Schulgebäude her. Mit dem Kostenvoranschlag des Landbaumeisters Severin kam jedoch die Ernüchterung: Ein Schulgebäude, in dem bis zu neun Klassen Platz hätten, würde die Stadt rund 13.000 Reichstaler kosten. Aufgrund hoher Kämmereischulden musste jedoch an allen Ecken und Enden gespart werden. Ein kostengünstigeres Angebot über 10.000 Reichstaler, das die weitere Nutzung des Gebäudes am Kirchplatz 5 vorsah, traf jedoch beim Bürgerausschuss auf Missfallen. Aufgrund der geringen Kostendifferenz wäre das größere Gebäude sinnvoller.
Schließlich beschloss das großherzogliche Innenministerium die Zukunft der Schule in Grevesmühlen. In einer Verfügung vom 8. Juni 1854 fiel die Entscheidung zugunsten des kleineren Projektes. Und die Einsparungen gingen weiter: Während das Magistrat sich für eiserne Fenster aussprach, wollte der Bürgerausschuss hölzerne Fenster, die von den ortsansässigen Handwerkern hergestellt werden konnten. Das Innenministerium ging diesem Wunsch des Ausschusses nach. Ob seine Entscheidung tatsächlich aufgrund der Argumentation, dass „es für ein Communen-Gebäude und namentlich ein Schulhaus die schönste Zierde ist, wenn, anstatt sich mit fremden Federn zu schmücken, alles von heimischen Handwerkern gefertigt ist“, beruhte oder weil die Holzfenster 30 Taler günstiger waren, sei dahingestellt. Schließlich wurde der Bau für insgesamt 9.719 Reichstaler fertiggestellt.
Weiteren nicht optimalen Umständen des Gebäudes wurde mit kreativen Ideen entgegengewirkt: Gegen die „ungehinderte Communication beider Geschlechter bei völlig unmöglicher Controlle“, die der Rektor Voss befürchtete, wurden 1857 Bretterverschläge auf dem Schulhof installiert. Mit den steigenden Schülerzahlen in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, die bereits bei den Planungen des Baus vorausgesehen wurden, wurde die Schule zusehends wieder zu klein. Diverse Planungen für Anbauten scheiterten. Erst 1900, nach über 20 Jahren der Planung und Umsetzung, waren Mädchen und Jungen während des Unterrichts in verschiedenen Gebäuden untergebracht. Das Gebäude am Kirchplatz diente künftig als Mädchenschule. Die Jungen wurden an der neuen Knabenschule, der heutigen „Fritz-Reuter-Grundschule“, unterrichtet.
Nachdem im Jahr 1949 die Bestände des Museums Grevesmühlen aufgelöst worden waren, kamen erst 1976 die ersten Bestrebungen zu einer neuen Museumsstätte auf. Aus einer ehemaligen Schulküche in der Neustadt 16 wurde dann noch im gleichen Jahr eine Heimatstube, in der unter anderem Zeichnungen und Modelle von Hans-Heinrich Liebsch und Otto Schapert ausgestellt waren. Im Jahr 1985 zog die Heimatstube in das „Älteste Haus“ in Grevesmühlen um. Die erste Ausstellung in den neuen Räumlichkeiten wurde anlässlich des 40. Jahrestages der Tragödie des Schiffes Cap Arcona vom Kulturbund organisiert. Bis 1990 wurden vielfältige Ausstellungen im „Ältesten Haus“ angeboten, unter anderem von Keramik und Modelleisenbahnen oder von Fotografien anlässlich des kreis-offenen Fotowettbewerbs. Im Dezember 1990 widmete sich die letzte Ausstellung des Kulturbundes dem Leben und Wirken von Heinrich Schliemann.
Erst 2004 wurde das Gebäude am Kirchplatz 5 zum Museums- und Vereinshaus ausgebaut. Im Jahr 2006 zog das Städtische Museum Grevesmühlen mit einer neu konzipierten Dauerausstellung in die sanierten Räumlichkeiten. Ein Teil der Ausstellung widmet sich intensiv der Geschichte der Cap Arcona. Die Texte für die Ausstellung verfasste der ehrenamtliche Museumsbeiratsvorsitzende und Sprecher des Förderkreises „Cap Arcona Gedenken“, Sven Schiffner, der auch heute noch aktiv in die Museumsarbeit involviert ist.
Nun, 17 Jahre nach der Eröffnung der ersten Dauerausstellung, arbeitet Museumsleiter Peter Alexander Frank mit Unterstützung an der Neukonzipierung. Denn das Depot des Museums wächst zusehends durch Spenden oder eigene Funde, die die Grevesmühlener Geschichte repräsentieren.
Laura Piontek