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Ein Spätbarockes Herrenhaus

Dreilützow entstand als Sitz derer von Bernstorff – und ist heute fest in der Hand junger Leute

Die Gartenseite von Schloss Dreilützow: Die Tür führte direkt aus dem so genannten Gartensaal ins Freie. Foto: Haescher

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: im Schloss Dreilützow, dessen Geschichte bis ins 18. Jahrhundert reicht.

Was ist eigentlich ein Schloss? Streng genommen der Wohnsitz eines regierenden Fürsten, in kindlicher Definition ein Gebäude mit Türmen und einem König. Beides hat Dreilützow nicht zu bieten und dennoch ist das größte Haus im Ort als Schloss bekannt. Es wirkt ja auch majestätisch mit seiner Größe, der herrschaftlichen Auffahrt und dem großzügigen Park.

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts reicht die Geschichte des Herrenhauses. Nachdem das Gut ursprünglich den Herren von Lützow gehört hatte, kaufte es der hannoversche Premierminister Andreas Gottlieb Freiherr von Bernstorff d.Ä. 1725 für 105.000 Reichstaler. Unter Andreas Gottlieb von Bernstorff d.J. begann 1735 der Bau des barocken Herrenhauses. Ob man sich Zeit ließ oder Unerwartetes dazischenkam – wer weiß. Erst 18 Jahre später waren Haus und Barockgarten fertig.
An Stelle des letzteren befindet sich heute ein Landschaftspark, zu dem der Garten in der ers­ten Hälfte des 19. Jahrhunderts umgestaltet wurde – solche Gärten waren damals schwer in Mode.

Während der Weltwirtschaftskrise musste das Gut verkauft werden. Kurz darauf starb der letzte auf Dreilützow ansässige Graf Andreas Gottlieb von Bernstorff am 5. Juli 1929 – sein Grab befindet sich neben der Kirche. Die Nationalsozialisten nutzten das Schloss für den Reichsarbeitsdienst und brachten hier so genannte Arbeitsmaiden, also zum Arbeitsdienst verpflichtete junge Frauen, unter. Nach dem zweiten Weltkrieg kaufte die katholische St.-Anna-Gemeinde das Schloss und es war nacheinander Kinder- und Behindertenheim.

Seit 1994 ist es Bildungs- und Freizeitstätte der Caritas – und viele Kinder aus Schwerin und West­meck­lenburg waren seitdem bereits im Haus der Grafen zu Bernstorff zu Gast. Für Stefan Baerens, Leiter der Kinder- und Jugendübernachtungsstätte, ist das Schloss auch ein Ort für den Ausflug in die Historie. Wenn er sagt „Diese Tür ist älter als deine Oma“ können viele Kinder damit mehr anfangen, als mit pauschalen Alt-Angaben.

Zu den Schätzen des Herrenhauses gehört der Gartensaal mit seinen Malereien, die in der Fassung von 1890 restauriert wurden. In einem weiteren Raum ist eine wertvolle Malerei mit pompejanischen Motiven erhalten – in Mecklenburg eine absolute Rarität. Hier befanden sich einst die Gesellschaftsräume der adligen Bewohner, während die Wohnräume vermutlich in der oberen Etage lagen. Die barocke Raumstruktur ist gut erhalten. Nur die Nutzung ist eine andere, denn heute schwingen junge Leute das Zepter. Die Jagdtrophäensammlung im Eingangsflur wurde durch einen Plüschelch ergänzt, die repräsentativen Säle im Parterre stehen als Gruppenräume für Workshops zur Verfügung.

Und auch den historischen Wert wissen die jungen Gäs­te dabei zu schätzen: „Freiheit kombiniert mit Vertrauen funktioniert besser als zehn Museumswärter“, sagt Stefan Baerens.
Die heutigen Nutzer engagieren sich auch für die Erhaltung des Ensembles – Remise und Scheune wurden wieder aufgebaut, die eins­tige Orangerie gesichert. Und es gibt immer wieder neue Projekte. Die spätbarocke Anlage – kulturhis­torisch für die Region etwas Besonderes – ist bereit für die Zukunft. Spannende Geschichten aus der Vergangenheit inklusive.

So lebte für einige Zeit auf Dreilützow auch Andreas Peter Graf von Bernstorff. Er stand zu Zeiten der Aufklärung als Staatsminister im Dienst des dänischen Königs und gilt im 18. Jahrhundert als einer der größten Staatsmänner Dänemarks. Seine zweite Frau Augusta Louise, geborene Gräfin zu Stolberg-Stolberg, korrespondierte mit den Geistesgrößen ihrer Zeit, zahlreiche Briefe wechselte sie mit Goethe. Auf dem Friedhof in Dreilützow fand sie an der Seite ihres Mannes und ihrer Schwester – dessen erster Frau – die letzte Ruhe.

Katja Haescher

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