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Fasziniert von der Vielfalt der Pilze

Lothar Strelow (65) aus Techentin ist seit mehr als 20 Jahren als Pilzberater tätig und bietet Pilzwanderungen an.

Warum verraten Pilzsammler nie ihre Stellen?
Gute Stellen muss man sich hart erarbeiten – und deshalb wird das Wissen um sie nicht geteilt, sondern
höchstens vererbt.

Was braucht es für ein gutes Pilzjahr?
Wichtig ist ein feuchtes Frühjahr. Wenn die Bäume schon zu diesem Zeitpunkt im Trockenstress sind, hat das Auswirkungen auf das Myzel, das ja mit den Wurzeln der Bäume im Austausch steht. Und natürlich sind ausreichende Niederschläge im Spätsommer und Herbst entscheidend für eine reiche Pilzernte

Welchen Einfluss hat der Klimawandel?
Die Sommer werden trockener, der Grundwasserspiegel sinkt. Wir bekommen neue Pilze, wie zum Beispiel den Fransigen Wulstling oder die Falsche Rotkappe, einen aus Nordamerika eingeschleppten Röhrling. Der wird uns in den kommenden Jahren beschäftigen. Er kann auch heimische Arten verdrängen, weil er wie die Marone in Kiefernwäldern wächst. Möglich ist, dass so auch neue giftige Pilze zu uns kommen.

Bei welchen Pilzen gibt es hierzulande die größte Verwechslungsgefahr?
Dass hochgiftige Pilze in Körben auftauchen, ist selten. Ich habe erst einmal einen Knollenblätterpilz aussortiert – und da wollten die Sammler eigentlich auch nur ihre eigene Einschätzung bestätigt haben. Dennoch erlebt auch ein Pilzberater einiges: Zum Beispiel kamen mal Leute, die haben ein Laken mit weit über 100 Pilzen darin aus dem Kofferraum geholt, davon blieben dann vielleicht fünf übrig. Ein Problem ist, dass zu viele alte Pilze gesammelt werden, die zu einer Nahrungsmittelvergiftung führen können. Leicht zu verwechseln sind zum Beispiel Perlpilz und Pantherpilz, wenn letzterer gegessen wird, ist das wirklich ein Fall fürs Krankenhaus. Viel häufiger sind aber Vergiftungen bei Champignons, giftige Karbol-Champignons sortieren die Pilzberater jedes Jahr zu tausenden aus
Körben. Wer sie isst, muss mit Überkeit, Durchfall und Kreislaufbeschwerden rechnen.

Können Apps bei der Pilzbestimmung helfen?
Sie können hilfreich sein, so, wie es auch ein Bestimmungsbuch ist. Sie können aber nicht ersetzen, an dem Pilz zu riechen und typische Merkmale zu überprüfen. Dass das Stockschwämmchen einen hochgiftigen Doppelgänger hat, hat eine Bestimmungs-App bei meiner jüngsten Pilzwanderung nicht mitgeteilt. Wer Pilze zum Pilzberater bringt, sollte sie deshalb auch immer komplett abliefern – nicht schon geputzt.

Wie haben Sie selbst das Pilzesammeln gelernt?
Ich war schon von frühster Jugend an mit meinen Eltern im Wald. Als ich später an der Trasse gearbeitet habe, machte dort ein Kollege eine Pilzausstellung mit mehr als 100 Arten. Diese Vielfalt hat mich fasziniert Ich habe dann selbst meine Ausbildung zum Pilzberater gemacht. Beim Landesamt für Gesundheit gibt es eine Liste mit den Kontaktdaten aller zertifizierten Pilzberater, unter 038736-42714 können sich Ratsuchende bei mir melden. Tiefe Genugtuung empfinde ich, wenn ich wirklich helfen kann – wenn zum Beispiel Kinder an einem Pilz geknabbert haben und bestimmt werden muss, ob das gefährlich war oder nicht. Meist kann ich die Eltern beruhigen und Entwarnung geben.

Ihr schönster Fund?
Ein Schwarzköpfiger Erdstern von der Größe eines Apfels. Er war aufgebrochen und sah aus wie Samt: So etwas findet man nur einmal im Leben.

Interview: Katja Haescher