Die Zittower Kirche führt Besucher weit zurück in die Geschichte einer ganzen Region
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in der Kirche in Zittow, die aus den Zeiten der Christianisierung Mecklenburgs erzählt.
Im 12. Jahrhundert zog Heinrich der Löwe mit seinen Truppen ins Wendenland. Er wollte die Gebiete östlich der Elbe unter deutsche Herrschaft bringen – die dort lebenden Heiden zum Christentum zu bekehren, war ein probates Mittel im Zuge der Machtübernahme. Zwar erwiesen sich die Slawen anfangs als widerspenstig, aber mit der Taufe von Niklots Sohn Pribislaw und dem Zuzug deutscher Siedler in Heinrichs Spur setzte sich die neue Religion bald durch. Im 13. Jahrhundert entstanden in der Region zahlreiche Gotteshäuser – auch in Zuttecowe, wo sich deutsche Einwanderer am See niederließen.
1251 war es Graf Gunzelin III., ein Enkel des Gefolgsmanns Heinrichs des Löwen und ersten Grafen von Schwerin, Gunzelin I. von Hagen, der dem Schweriner Domkapitel Besitzrechte am Dorf Zittow übertrug. Ob die Kirche zu diesem Zeitpunkt schon existierte? Wahrscheinlich. Ein Dach über dem Chor wird am 24. März 1261 erwähnt – fast auf den Tag 760 Jahre ist das jetzt her.
Vermutlich entstand dieser älteste Teil des Gotteshauses, der quadratische Chor mit dem steilen Domikalgewölbe, um 1230/1240. Mit Kreuzrippen und Schlitzfenstern im Ostgiebel ist er ein herausragendes Beispiel für den frühgotischen Sakralbau in Mecklenburg – und ein wirklich stimmungsvolles Zeugnis der frühen Tage des hiesigen Christentums.
Ebenso spirituell geht es an einem Ort weiter, der sich den Augen der Kirchenbesucher gar nicht auf den ersten Blick erschließt – in der mittelalterlichen Sakristei an der Nordseite, gewölbt mit heimischen Feldsteinen. Der ursprüngliche Zweckraum ist heute ein kleiner Andachtsraum, der zur inneren Einkehr genauso einlädt wie zur gedanklichen Zeitreise.
Doch zurück in den Chor, denn Besucher sollten ihn nicht verlassen, ohne nicht wenigstens einen Blick auf das Patronatsgestühl von 1669 zu werfen. „Vermutlich hatte dieses Gestühl früher einen anderen Platz in der Kirche, höchstwahrscheinlich an der Westwand“, sagt Lutz Camin vom Förderverein „Fünf Türme“. Es trägt unter anderem die Wappen des Helmuth von Plessen, im 17. Jahrhundert Patron und Gutsherr auf Cambs, und seiner Frau Oelgard von Oertzen. Und das Gestühl bietet neben viel Schnitzkunst auch eine Beichtfunktion: Durch einen verzierten Spalt in der Holzwand konnten darin Sitzende dem dahinter wartenden Pfarrer ihre Sünden anvertrauen.
100 Jahre jünger als der Chor ist das Kirchenschiff, das im Zuge des Turmbaus Ende des 17. Jahrhunderts nachträglich eingewölbt wurde. Man könnte also von drei Bauabschnitten sprechen – und auch das reicht noch nicht, denn der 1698/99 entstandene Turm hat schon wieder eine besondere Geschichte, sagt Lutz Camin. Doppelt so hoch wie heute mit zwei Kuppeln und acht Säulen korinthischer Bauart soll er einst gewesen sein – bis 1810 ein Gewitter tobte und ein Blitz hineinfuhr. Dem davon angefachten Feuer fielen neben dem Turm Glocken, Orgel und Uhr zum Opfer, auch ein Teil des Gestühls verbrannte. Der im 19. Jahrhundert auf Cambs ansässige Patron Johann Peter Heinrich Diestel (1767-1861) stiftete 1819 eine neue Glocke und 1829 eine neue Orgel, die Jacob Friedrich Friese (Friese I) einbaute.
Und auch ein neuer Turm musste natürlich her – das Äußere des Gotteshaus veränderte sich ein weiteres Mal.
Betreffs des bescheideneren Äußeren des neuen Turmes lässt der zu diesem Zeitpunkt amtierende Pastor Hoeffler ausrichten: „Freylich ist der Thurm nicht so schön wie er war, allein der Herr Patronus und ich waren der Meynung, daß es besser sey, Glocken, Uhr und Orgel wieder herzustellen, als alles Geld in die Luft zu bauen!“ Recht hatte er. Und der Wetterhahn von 1699 mit dem Wappen derer von Plessen grüßt ebenfalls wieder von der Spitze. Katja Haescher