Am Bürgerbahnhof gelegener Kunst- und Begegnungsraum „Das Eck“ fördert das Miteinander
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in „Das Eck“, einen offenen Kunstraum für Grevesmühlen.
Im Zuge der Errichtung eines Busbahnhofes am heutigen Grevesmühlener Bürgerbahnhof entstand in den 1970er Jahren das einstige Abfertigungsgebäude, das von den Fahrgästen als Wartehalle genutzt wurde, dem Kartenverkauf und der Fahrgastinformation diente. Nach der Wende zog die Gaststätte „Mannis Holsteneck“ in das pavillonartige Gebäude. Im Sommer 2017 wurden die Räume frei und das Künstlerpaar Renate und Johannes Schürmeyer konnte den eingeschossigen Bau, der noch den Charme der Ostmoderne in sich trägt, für sein gemeinsam initiiertes Kreativ- und Kulturprojekt nutzen. Seitdem tragen die selbstgebauten Holzlettern auf dem Dach – kurz und treffend – den Namen „Das Eck“.
Mit ihrem Projekt, das ursprünglich als temporärer Ferienworkshop für die Sommermonate 2017 geplant war, haben die Künstler in Grevesmühlen ein kreatives Angebot geschaffen, das offen ist für jeden: Menschen verschiedenster ethnischer wie sozialer Herkunft, unterschiedlichen Alters und Weltanschauung finden hier zusammen, um sich gemeinsam künstlerisch zu betätigen und miteinander in Kontakt zu treten. Das in Zusammenarbeit mit der Stadt Grevesmühlen, dem Behindertenverband Grevesmühlen und der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Nikolai entstandene Projekt möchte gesellschaftliche Vielfalt fördern, Grevesmühlen bunt machen und das Miteinander in der Nachbarschaft stärken.
Bunt wurde es im wahrsten Sinne des Wortes: Ausgesprochen individuell gestalteten die Teilnehmer im ersten Jahr den neuen Lattenzaun der Außenanlage, der anstelle des vorherigen, marode gewordenen Jägerzaunes errichtet wurde. Auch ein Mosaik aus Scherben wuchs entlang der Außenwand und verschönert nun die Fassade.
Regelmäßig werden seit Beginn verschiedene Workshops angeboten. So gibt es jedes Jahr eine Sommerakademie, die bei gutem Wetter im Garten stattfindet. Ob Papier schöpfen, Instrumente bauen, Wände besprühen, Holzfiguren schnitzen oder Steine bearbeiten – der Kunstraum bietet unter Anleitung engagierter Kunstschaffender und Pädagogen den Teilnehmern vielfältige Möglichkeiten, sich künstlerisch auszutoben. Im vergangenen Sommer gab es beispielsweise das Projekt „Bunte Stühle für Grevesmühlen“, bei dem gespendete Stühle durch kunstvolle Bearbeitung neu belebt wurden. Jene standen im Anschluss verteilt vor Grevesmühlener Ladengeschäften, die die Initiatoren für ihre Aktion gewinnen konnten. „Einfach um miteinander ins Gespräch zu kommen“, erklärt Renate Schürmeyer, die das Stuhl-Projekt in diesem Jahr weiterführen möchte.
Gegenwärtig entsteht im „Eck“ ein Holzhaus für das bevorstehende Nachbarschaftsfest am Ploggenseering, das dort später von Kindern bemalt werden darf. „Wegen der knapp gewordenen Wohnungen haben wir gedacht, wir helfen mal“, lacht Renate Schürmeyer. Die Künstlerin weiß nie, wer zu dem einmal wöchentlich stattfindenden Kreativ-Workshop kommt. So finden sich jedes Mal neue Konstellationen zusammen: Grevesmühlener, Zugezogene, Menschen mit Unterstützungsbedarf, Geflüchtete, Kinder wie Rentner. Die ehemalige Gaststätte am Busbahnhof gegenüber dem Bürgerbahnhof ist Treffpunkt und einzigartiger Begegnungsort zwischen Menschen verschiedener Generationen und Ethnien geworden. Jeden Mittwoch Nachmittag ist der Kunstraum ab 14 Uhr für alle geöffnet.
Laura Prüstel
www.das-eck-grevesmuehlen.de