In Kladow steht ein kleines Gotteshaus mit vielen Besonderheiten / Glocke ist ältestes Stück
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: in der Kirche Kladow, die sich – von außen eher unscheinbar – im Innern als Schatzkästlein zeigt.
Ein bisschen duckt sie sich hinter den Bäumen des Friedhofs, reckt nur den Turm heraus. Deshalb fährt so mancher durch Kladow, ohne einen Blick auf die Kirche zu werfen. Das ist schade. Denn das kleine Gotteshaus in dem Ort nahe Crivitz hat eine Menge aus der Dorfgeschichte zu erzählen.
Und das, obwohl das Gebäude mit dem Backsteinturm und dem verputzten, klassizistischen Chor noch gar nicht so alt ist – zumindest nach Kirchenmaßstäben betrachtet. 1780 wurde es unter Verwendung mittelalterlicher Umfassungsmauern errichtet. „Es gab Vorgängerbauten, aber Zeichnungen sind nicht überliefert“, sagt Norbert Wolfram. Der Kladower erledigt die Aufgaben des Küsters und steht auch dem Förderverein vor. Dieser leistet seinen Beitrag, die Anfang des 20. Jahrhunderts im Jugendstil umgebaute Kirche zu erhalten.
Eine Glocke aus dem 15. Jahrhundert, per Hand zu läuten, Glasbilder eines Silbermedaillengewinners auf einer Weltausstellung und ein Kanzelaltar mit symbolischer Bedeutung, ein versteckter Schornstein und die Grabplatte eines renitenten Pastors auf dem Kirchhof – wer sich auf die Entdeckungsreise begibt, findet eine Menge Geschichten. Die auf 1488 datierte Bronzeglocke ist das älteste Ausstattungsstück – und klares Indiz für einen Vorgängerbau. In Schwingung wird sie mit Hilfe eines Seils gesetzt, das durch den Glockenboden bis ins Erdgeschoss des Turms reicht.
Allerdings herrscht aktuell Läutverbot, denn die Köpfe der mächtigen Eichenbalken, die das Gerüst des Turms bilden, sind stark geschädigt – ein nächster Punkt auf dem Aufgabenzettel bei der Sanierung. Ein anderer ist gerade abgehakt: Norbert Wolfram freut sich, dass die Klinker des Turms neu verfugt und auch die Verbindung zwischen Turm und Schiff abgedichtet wurde. Wasserflecken im Innern des Turms zeugen noch von den Schäden.
Das Innere des hübschen Kirchenraums mit der bemalten Holzbalkendecke wurde bereits 1999 erneuert. Ein Blickfang sind hier sechs farbige Bleiglasfenster, die der in Crivitz geborene Glasermeister
Rudolf Königsberg schuf. Königsberg hatte 1904 im amerikanischen St. Louis an der Weltausstellung teilgenommen und dort als einziger Handwerker aus Mecklenburg eine Silbermedaille gewonnen. Die Kladower gaben ihre Kirchenfenster im Jahr darauf also bei einem Meister mit internationalem Renomee in Auftrag. Die bunten Bleiglasflächen stecken voller Symbolik: Da sind die Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes, der Anker für die Hoffnung, der Kelch und das Kreuz, der Weinstock und die Korngarbe. Die Einheit von Wort und Sakrament wiederum symbolisiert der so genannte Kanzelaltar, ein Typ Altar, der typisch für die Zeit nach der Reformation ist. Der Predigtstuhl befindet sich hier direkt über dem Altar an der Ostwand der Kirche.
Die Inneneinrichtung – Fußboden, Gestühl, Fenster – entstand 1905. An den Bänken weisen Inschriften wie Augustenhof, Kölpin, Basthorst darauf hin, welche Orte zum Kirchspiel gehörten und wessen Einwohner in welcher Kirchenbank schwitzten. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Wird der alte eiserne Ofen geheizt, ist es im Gotteshaus mollig warm. Ein kleiner Dachreiter auf dem Kirchenschiff verbirgt den Schornstein und auch das Ofenrohr ist im Innern hinter dem Altar kaum auszumachen.
Es bliebe noch viel mehr zu sagen, Über die Orgel, die der in Mecklenburg wirkende Meister Friedrich Wilhelm Winzer baute – seine kleinste soll es sein. Über die Tür hinterm Altar, durch die der Pfarrer, aus dem Pfarrhaus kommend, in die Kirche huschen konnte. Vor dieser Tür wurden vor einigen Jahren zwei Grabplatten entdeckt, die an den Kladower Pastor Laße und seine Frau erinnern. Dieser Laße war einige Jahre vor seinem Tode wegen ungebührlichen Verhaltens suspendiert worden. Einzelheiten hat Norbert Wolfram bisher nicht in Erfahrung bringen können. Es gibt also noch Gelegenheit, weitere Geschichten rund um die Kladower Kirche zu entdecken.
Katja Haescher