Was bedeutet Ihnen Kunst?
Kunst ist eine andere Ausdrucksform als die gesprochene und geschriebene Sprache. Es gibt mehr Ambiguität, Offenheit, kein Eins plus Eins gleich Zwei. Das ist einerseits schwieriger zu vermitteln, andererseits ein großes Potenzial. Kunst kann dazu beitragen, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln und sich auszutauschen – und nicht bei scheinbar feststehenden Inhalten zu verharren.
Bei zeitgenössischer Kunst haben viele Menschen Verständnisschwierigkeiten. Wie können Sie als Kuratorin bei der Vermittlung helfen?
Verständnisschwierigkeiten können daran liegen, dass wir nicht gelernt – oder verlernt – haben, diese Sprache zu sprechen. Kunst, insbesondere die religiöse, war früher leichter dekodierbar. In der Entwicklung hat sie sich von dieser Offensichtlichkeit zunehmend entfernt. Dennoch braucht es kein besonderes Wissen, um Kunst zu verstehen. Es genügen Offenheit und das Vertrauen in die eigene Intuition: Welche Assoziationen habe ich vor dem Hintergrund meines eigenen Wissens? Die Vermittlung von Seiten der KuratorInnen ist hier oft zu didaktisch und autoritär: Sie schreiben lange, komplizierte Texte darüber, was man sieht und wie man es zu verstehen hat. Dabei ist der wichtigste Schritt bereits getan, wenn sich jemand auf die offene Begegnung mit Kunst einlässt. KuratorInnen und VermittlerInnen können jetzt dazu beitragen, diesen Blick zu erweitern – zum Beispiel mit Informationen aus der Biographie und kulturellen Hintergründen der KünstlerIn oder Forschungen zu den Materialien.
Was hat Sie an der Aufgabe in Schwerin gereizt?
Die Kunstvereine in den neuen Bundesländern sind jung. Der Schweriner Verein wurde 2002 gegründet und eine so junge, kleine Struktur bietet viel Entwicklungspotenzial. Ich möchte den Kunstverein als basisdemokratische Kraft in der Stadt weiter etablieren.
„Es braucht kein besonderes Wissen, um Kunst zu verstehen.“
Welche Pläne haben Sie?
So wie jetzt soll es auch künftig jedes Jahr fünf Ausstellungen geben, die jeweils zwei Monate lang in unseren Räumen im E-Werk zu sehen sind. Ich möchte vorrangig jungen, aufstrebenden KünstlerInnen, die noch keine institutionelle Einzelaustellung hatten, einen Rahmen geben. Gleichzeitig ist es mein Ziel, den Kunstverein wieder mehr in der Stadt zu verankern. Das klappt, wenn es hier vielseitigere Veranstaltungen gibt, mit denen Menschen sich identifizieren können. Genauso wichtig ist es mir, mit dem Angebot auch überregional Aufmerksamkeit zu wecken.
Was gefällt Ihnen an Schwerin – und was möglicherweise nicht?
Als Lübeckerin, die lange in Frankfurt und Berlin gelebt hat, gefällt es mir, wieder im Norden zu sein. Schwerin ist wunderschön, mit vielen offenen Räumen und Möglichkeiten, um schwimmen zu gehen. Es ist schade, dass es keine Uni gibt, damit fehlt natürlich ein wichtiger kultureller Impuls. Ansonsten muss ich meine Kommunikation nach den Jahren im Rheinland wohl wieder ein bisschen anpassen. Dort reden die Menschen viel mehr, hier reicht ein „Jo!“
Interview: Katja Haescher