Diplombildhauerin Anna Martha Napp hat sich auf Kunstmedaillen spezialisiert
Anna Napp lebt in Maßlow, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Wismar. Ihr Atelier befindet sich im letzten Haus der einzigen Straße, dahinter verliert sich der Blick in den angrenzenden Feldern. Zusammen mit ihrem Mann ist sie im Jahre 2011 nach dem Studium aus Halle in ihre alte Heimat zu- rückgekehrt. Mit ihrer jungen Familie bewohnt sie eines der wenigen Häuser des abgelegenen Straßendorfes. Vier Islandpferde, Schafe, Hühner und ein Selbstver- sorger-Garten komplettieren den naturverbundenen Lebensstil der Künstlerin.
Bei Bernd Göbel studierte die gebürtige Wismarerin an der Burg Giebichenstein Bildhauerei. Der renommierte Bildhauer und Medailleur trug die Medaillenkunst an die Studenten heran und vermittelte erste Wettbewerbe. Durch die rege Teilnahme ist Napp frühzeitig zu den Medaillen gekommen. Heute ist sie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst, die sich der Förderung der zeitgenössischen Kunstmedaille als Sonderform der Reliefplastik widmet.
„Kunstmedaillen sind ein weites Feld“, erklärt die 41-Jährige. Bei diesen Medaillen ist prinzipiell alles erlaubt; sie können klassisch rund oder gar eckig und sogar dreidimensional sein, zudem aus unterschiedlichsten Materialien bestehen. Die einzige Beschrän- kung liegt im Format von maxi- mal 15x15x15cm. Medaillen kön- nen Handschmeichler sein, er- schließen sich aus ihrer Vor- und Rückseite, aus ihrem Gewicht und ihrer Haptik. Die gängige Auf be- wahrung in Vitrinen wird ihnen unter diesen Gesichtspunkten nicht ganz gerecht. NapparbeitetvorrangiginBronze. Eine Vielzahl an Auftraggebern ist bereits an sie herangetreten. Für das Staatliche Museum Schwerin entwarf sie anlässlich des 140-jährigen Bestehens eine Jubiläumsmedaille. Diese zeigt auf der einen Seite eine Familie im Museum und gewährt einen Einblick in den prächtigen Oudry-Saal, die andere bildet einen Ausschnitt der Werke der Sammlung ab. „Durch die Wölbung der Medaille wird der Blick auf der einen Seite noch mehr in das Gebäude hineingezo- gen, die andere lässt dagegen die abgebildeten Werke der Sammlung stärker hervortreten“, erläutert die Medailleurin maßgebliche Entscheidungen bei der finalen Ausarbeitung.
„Manchmal bleibt es nicht aus, auch Persönliches in den Medaillen zu verarbeiten“, erklärt die drei- fache Mutter. Für den seit 2016 jährlich verliehenen Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit fertigte sie den Siegerentwurf der Medaille während des Wochenbetts mit ihrer Tochter an. Angeregt durch ihr Baby und ihre Mutterschaft entwickelte sie für die Medaille das Motiv eines in der Hand liegenden Neugeborenen. Die schützende Hand bewahrt das junge Geschöpf alssinnbildlichesGleichniszudem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die 1 cm dicke silberne Prägemedaille wird international an Aktivisten verliehen, die sich weltweit für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Aber auch für private Sammler entwirft Napp Medaillen. Eine solche entstand beispielsweise als Auftragsarbeit für eine Silberhochzeit, die die Medailleurin später in ihr Repertoire übernehmen und so einem breiteren Publikum zugäng- lich machen konnte. Die Vordersei- te der kleinen Bronze ziert ein Schwanenpaar als Sinnbild für die Liebe und monogame Beziehung, die Rückseite beinhaltet ein Liebesgedicht von Rilke.
Neben den kunstvollen Medaillen, die Napp nur mit einem unscheinbaren Monogramm signiert, entwirft sie auch Münzen. Im vergan- genen Jahr hat sie eine limitierte Sondermünze für die deutsche 5-Euro-Sammlermünzen-Serie „Wunderwelt Insekten“ gestaltet. Die teilkolorierte Bildseite der Münze zeigt einen Siebenpunkt- Marienkäfer. In diesem Jahr wird auch das von ihr entworfene Motiv einer Hainschwebfliege erscheinen. Die Serie rückt vor dem Hinter- grund aktueller Umweltentwick- lungen Insekten als artenreichste Tierklasse in den Fokus.
An Aufträgen und Wettbewerben mangelt es nicht. Im Oktober 2025 steht u.a. mit dem Kongress der In- ternationalen Medaillengesell- schaft „FIDEM“ ein wichtiges Er- eignis für Medaillenschaffende ins Haus. Der mit einer Weltausstel- lung zur zeitgenössischen Medail- lenkunst verbundene internationa- le Kongress wird diesmal in Mün- chen ausgetragen. Bezüglich des Ausstellungsthemas „Unsere My- then – unsere Wurzeln“ wird Napp verschiedene Entwürfe liefern. Auch an der damit verbundenen deutschen Sonderausstellung zum Thema „Resonanzen“ möchte sie sich beteiligen.
Neben eigenen Projekten ist die Medailleurin bestrebt, ihr Wissen an den Nachwuchs weiterzugeben. Im Jahre 2020 hatte sie einen Lehr- auftrag an der Hochschule Wismar und konnte Studenten für die Medaillenkunst begeistern. Eine Seminarteilnehmerin gewann mit ihrer Arbeit den ersten Preis des u. a. vom Münzkabinett Berlin ausge- lobten Nachwuchswettbewerbs für Kunstmedaillen zum Thema „Drei Grazien“. Seit dem laufenden Schuljahr unterrichtet Napp das Fach Bildende Kunst am Wismarer Geschwister-Scholl-Gymnasium. Wer sich einen Eindruck von Kunstmedaillen der Gegenwart verschaffen möchte, kann Anna Napps Stücke ab dem 17. Februar in der Galerie Martina Fregin in Güstrow sehen. In einer Gemein- schaftsausstellung mit ihrem Va- ter, dem namhaften Maler und Bildhauer Hans W. Scheibner, prä- sentiert sie auch bildhauerische Ar- beiten. Laura Prüstel www.annanapp.de