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„Musik ist mein Leben“

„Jetzt noch mal unsere Mimose“, sagt Ingeburg Müller und die Frauen und Männer vor ihr intonieren Mi-Mo-Se. Einsingen bei der Chorprobe in Bad Kleinen. Einmal in der Woche treffen sich die Chormitglieder, aktuell bereiten sie sich auf das Landeschortreffen am letzten Septemberwochenende in Wismar vor.

Ingeburg Müller gibt den Ton an. Sie hat den Chor ins Leben gerufen – 36 Jahre ist das her. „Musik ist mein Leben“, sagt die Lehrerin. Auf Poel geboren und aufgewachsen, bekam sie wie ihre beiden Ge­schwis­ter schon früh Klavierunterricht. „Meine Mutter hatte Flöte im Schülerorchester in Wismar ge­spielt und legte darauf Wert. Mein Vater konnte zwar kein Instrument, hat aber immer viel mit uns gesungen“, erinnert sich Ingeburg Müller. Und sie erinnert sich auch daran, dass sie wegen der Überei auf dem Piano manchmal ganz schön sauer war: „Andere spielten auf ihren Gitarren Songs von den Stones und den Beatles. Ich fand die ja auch toll, aber ich musste an meinem langweiligen Klavier sitzen!“

Später, während des Studiums, war die 67-Jährige den Eltern dafür dankbar, denn dank des Klavierspiels brachte sie viele Grundlagen mit.

Chorprobe in Bad Kleinen: Ingeburg Müller gibt den Ton an. Foto: Katja Haescher

Bei der Chorprobe in der Mensa der Schule steht anstelle des Klaviers ein Keyboard für die Korrepetion. Darauf die Noten von „Greten, kumm mal vör de Dör“. Das Lied hat es in sich, ein Wechselgesang zwischen Männern und Frauen, mit wechselnden Tempi. Der Chor probt die Einsätze, feilt an den Übergängen. Das Stück muss auch geschauspielert werden, sonst wird‘s bei sechs Strophen schnell langweilig, ist Ingeburg Müller überzeugt. Und schwungvoll soll es sein: „Meine Damen, lasst euch nicht so viel Zeit, vor die Tür zu kommen, sonst sind die Burschen weg!“, fordert sie die Chorfrauen auf.

Mit Spaß hält sie auch bei anstrengenden Proben alle bei Laune. „Musik muss schließlich Spaß machen“, sagt die Leiterin und freut sich, dass ihr Chor während des Landeschortreffens für einen Auftritt in der St. Georgenkirche
(28. September 2019, zirka 10.50 Uhr) ausgewählt wurde: „Das macht uns schon ein bisschen stolz.“

Chorleitung hat Ingeburg Müller während des Musikstudiums in Potsdam gelernt. Davor hatte sie am Institut für Lehrerbildung in Neukloster den Abschluss als Unterstufenlehrerin gemacht, nach der Wende hängte sie an der Universität Hamburg ein Fernstudium im Fach Sozialkunde an. „Das Studieren war für mich keine Last. Es hat mir Spaß gemacht und mich herausgefordert, an verschiedenen Schulen zu unterrichten“, sagt die Mecklenburgerin.
Als Lehrerin gründete sie schließlich auch die Vereinigung leidenschaftlicher Sänger.

Den Anstoß gab ihr damaliger Chef. „Er wollte unbedingt, dass auch Bad Kleinen einen Chor hat“, erzählt sie. Heute sind es 43 Mitglieder. Und handelte es sich zwischendurch um einen reinen Frauenchor, stehen inzwischen auch Männer mit auf der Bühne. Zwar müssen sie gegen eine weibliche Übermacht ansingen, aber die Herren behaupten sich gut.Und wenn gerade bei „Greten“ der Wechsel zwischen Männer- und Frauenstimmen noch nicht so perfekt klappt, hat die Chorleiterin wieder einen Tipp auf Lager. „Ihr müsst auf die Männer hören“, empfiehlt sie den Frauen und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Auch wenn es uns noch nicht so geläufig ist, dass wir ihnen auch mal erlauben, etwas zu sagen!“

Einander zuzuhören ist für Ingeburg Müller beim Thema Musik ohnehin wichtig. Als Musiklehrerin interessierte sie sich auch immer für die Lieblingsmusik ihrer Schüler. Im Gegenzug machte sie ihre Mädchen und Jungen zum Beispiel mit Klassik bekannt und bestand auf einen Musikraum, in dem sie voll aufdrehen durfte: „Beethoven kann man einfach nicht leise hören!“ Im eigenen CD-Schrank steht eine Sammlung querbeet: Klassik ist dabei, aber auch AC/DC, Peter Maffay und Torfrock. Ingeburg Müller liebt Konzerte, eines der jüngsten erlebte sie bei den Toten Hosen. „Ich bin der Meinung, dass man sich alles mal anhören muss, um darüber urteilen zu können“, sagt die Pädagogin, die seit einigen Jahren im Ruhestand ist.

Doch Zeit hat sie wie die meisten Rentner nie. Da ist ihr Chor in Bad Kleinen und der Trachtenchor ­„Poeler Leben“, den sie ebenfalls leitet. Die einen haben am Montag Chorprobe, die anderen am Dienstag. Wenn in der Schule Not am Mann ist, hilft sie aus. Und nicht zuletzt sind da ja auch noch die Familie und das große Grundstück.
Besonders freut sich Ingeburg Müller, dass sowohl Tochter als auch Sohn die Begeisterung für Musik geerbt haben. Nur einen Wunsch wird sie sich vermutlich nicht mehr erfüllen: „Ich wollte immer noch mal nach Wacken. Aber aufs Campen habe ich keine Lust mehr.“ Katja Haescher