Bob Dylan ist schuld. Als der elfjährige Mario Neumeister den Musiker mit Gitarre und Mundharmonika im Fernsehen sah, war für ihn klar: Das will ich auch. Und rückblickend gesehen war genau dieser Moment der Start in eine Musikerkarriere, die vielleicht – nicht wie bei Dylan – auf der ganz großen Bühne stattfindet, aber mit ebenso viel Leidenschaft.
Das wäre auch gleich das Stichwort. Denn Leidenschaft ist für Mario Neumeister das Elixier, aus dem ein guter Auftritt entsteht. Den ersten hatte er selbst mit 13 und im FDJ-Hemd im Theater seiner Heimatstadt Wismar – und er spielte Blues! Das Können: autodidaktisch erworben. Eine Gitarre zu kaufen, war zu DDR-Zeiten schwierig genug gewesen, einen Musiklehrer zu finden, nicht gelungen. Also knobelte Mario an den Griffen, übte nach dem Tabulator und vervollkommnete seine Fähigkeiten immer weiter. Heute spielt er neben Gitarre auch Mundharmonika, Djembe, Conga, Bongo und Steel Pans.
Vor drei Jahren wagte der 57-Jährige den Schritt und machte sich mit seiner Musik selbstständig. Längst coverte er zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließlich Songs, die er selbst großartig findet, sondern fügte eigene hinzu. Das können Instrumentalstücke sein – aber auch solche, zu denen Mario Neumeister selbst die Texte schreibt. Die Themen: das Leben, die Liebe, die Welt und ihr momentaner Zustand. Die musikalische Bandbreite: Bossanova, Blues, Discofox, diejenigen, die Neumeister nur mit dem „harten Brett“ kannten, waren bei der ersten CD von Mario & Friends überrascht. „Undurchschaubar“, der Mann, das Leben – und auch der Titel der ersten Scheibe. Für eine weitere hat Neumeister mit seiner Band schon wieder zahlreiche Songs eingespielt.
Die Geburt eines Liedes ist nicht immer leicht. „Wenn ich einen Song schreibe, dann liegt oft mehr Papier hinter mir als vor mir“, sagt Mario Neumeister lachend. Um so mehr freut es ihn, wenn ein Lied dann das Publikum berührt. Oder wahlweise auch aufrührt: „Wenn bei meinem Badelatschen-Blues die Leute ihre Flip Flops ausziehen und damit klatschen, dann ist das ein echtes Ding“, sagt der Musiker.
Er ist ein echtes Wismarer Urgestein. Das hört man, wenn er „Schietwedder“ sagt, weil es gerade mal wieder regnet. Und er kann auch kaum drei Schritte durch die Stadt machen, ohne mindestens einmal jemanden zu grüßen. Wie viele Wismarer hat auch Mario Neumeister auf der Mathias-Thesen-Werft gelernt und gearbeitet. Später arbeitete er auf dem Bau, in der Gastronomie, machte nebenbei Musik. Die Entscheidung, aus „nebenbei“ ein „ganz und gar“ zu machen, begründet er mit seinem Wunsch nach Freiheit: „Ich tue, was mir am Herzen liegt.“
Die Corona-Pandemie hat den Soloselbstständigen wie viele Künstler hart getroffen. „So etwas habe ich noch nicht erlebt, ich habe mich von der großen Politik total vergessen gefühlt“, sagt er. Freunde halfen, wo sie konnten. Und auch er half anderen – indem er zum Beispiel eine Demo am Alten Hafen organisierte, um daran zu erinnern, „dass ohne Kultur alles im Leben nichts ist“ und das kein Streamingdienst je das gemeinschaftliche Musikerlebnis ersetzen wird. Gemeinschaftlich, so wie vergangenes Jahr auf der „Höfischen Weihnacht“ in Schwerin: „Das war unglaublich, was da passiert ist, die Menschen fingen an zu tanzen und ich hab mich pudelwohl gefühlt“, sagt Mario Neumeister. Oder dieses Jahr beim Sommerkonzert im Wismarer Zeughaus, als „Mario & Friends“ ihre neuen Songs einem begeisterten Publikum vorstellten. „Das geht hier hinein“, sagt der Bandleader und legt die Hand aufs Herz.
Seit einigen Jahren unterrichtet er auch an der evangelische Musikschule in Wismar und gibt Trommelkurse an Schulen. Was ihm daran gefällt? „Das“, sagt er und legt sein Handy auf den Tisch. Ein Video, Kinder trommeln auf ihren Djembe, die Augen leuchten, die Hände fliegen: „We will, we will rock you!“ Auch „Alle meine Entchen“ lässt sich auf der afrikanischen Bechertrommel ordentlich durchklopfen. Die Kinder finden‘s toll. Und Mario Neumeister, selbst Vater einer elfjährigen Tochter, sagt: „Das ist mit fast nichts zu toppen.“
Musik, sagt er, ist sein Leben. Sie ist immer da, ob er nun Gitarre spielt und einen neuen Song ausprobiert oder dem lauscht, was andere gemacht haben. Gerade wieder hat er zwei Country-Songs geschrieben. „Country ist für mich Folk-Musik, traditionelle Musik, die zu etwas Eigenem weiterent-wickelt wird und den Nerv trifft“, erklärt er und fügt hinzu: „John Denvers ’Take me home’ – was willst du dazu mehr sagen?“
Seiner Heimatstadt Wismar ist Mario Neumeister immer treu geblieben – bis auf eine Episode in Hamburg. Um zu zeigen, wie es da war, fährt er die Ellbogen aus – nicht so sein Ding.
Sogar auf der NDR-Sommertour hat er mit seiner Band bereits gespielt. „Ich hab die große Bühne genossen“, sagt Mario Neumeister. „Aber da will ich eigentlich gar nicht hin.“ Und er schwärmt noch ein bisschen vom Auftritt auf der Sommerbühne im Zeughaus und bei der „Höfischen Weihnacht“ in Schwerin. Katja Haescher