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Selig im Woodstock-Himmel

Axel Jürgens ist im Banzkower Blasorchester aktiv und will Menschen mit der Musik berühren

Alles begann mit dem „Böhmischen Traum“. Axel Jürgens entdeckte das Stück auf YouTube, als er auf der Suche nach neuem Repertoire das Internet durchforstete. Musik zum Dahinschmelzen, sagt er, aber das war es nicht allein. Das Video zeigte auch das Zusammenspiel tausender Musiker beim „Woodstock der Blasmusik“ im oberösterreichischen Inntal. Und für den Mecklenburger war sofort klar: Da muss ich hin!

Axel Jürgens - Banzkower Blasorchester
Axel Jürgens spielt Tenorhorn im Blasorchester Banzkow und ist nach vielen Jahren immer noch begeistert von seinem Hobby. Foto: Katja Haescher

Blasmusik begleitet Axel Jürgens schon sein ganzes Leben. Er war gerade einmal ein Jahr alt, als in Banzkow auf Initiative von Solveig Leo ein eigenes Blasorchester gegründet wurde. Als Nachwuchsmusiker wurden später auch Kinder in den Schulen geworben, darunter Axel, der damals in die vierte Klasse ging. „Ich war damals Hans Dampf in allen Gassen, habe alles ausprobiert, viel Sport, Fußball, warum also nicht auch Blasmusik“, erinnert er sich – und auch daran, dass die Eltern sagten: „Wenn sich Punktspiel und Auftritt in die Quere kommen, gehst du zur Blasmusik.“ In die Hand gedrückt bekam der Viertklässler erst einmal eine Trompete. „Dann hörte der Tenorhornist auf und der Leiter entschied: Ab morgen spielst du Tenorhorn!“, erzählt Jürgens. Seitdem ist der Instrumentenkoffer deulich größer.

Größer ist auch das Wissen, das sich Axel Jürgens in den zurückliegenden Jahren über Blasmusik angeeignet hat. Gerade erst hat er wieder einen Brass-Workshop bei Ataraxia besucht. Zum Woodstock der Blasmusik fährt er seit 2018 jedes Jahr. „Hier ist für mich das Tor in eine neue Welt aufgegangen“, sagt der 56-Jährige. Zu sehen, wie junge Leute, darunter viele unter 30, sich für Blasmusik begeistern, wärmt ihm das Herz. Wie alle anderen packten auch Axel Jürgens und sein mitgereister Orchesterkollege Mario die Instrumente aus und spielten mit vielen anderen angereisten Festivalbesuchern, von denen die meisten ihr Instrument selbstverständlich auch dabei hatten. Das Gesamtspiel aller Musiker ist dann emotionaler Höhepunkt des Festivals. „20.000 Bläser, ein Meer aus Messing und Blech. Da steht man mittendrin, die Erde bebt und dann geht es los. Gänsehaut!“, schwärmt der Banzkower. Bis heute ist er angefixt davon, was diese Musik kann.

Mit dieser Motivation seien sie damals aus Österreich zurückgekehrt, sagt Jürgens. Dieses Wissen half auch durch die Corona-Zeit, als die Zahl der Aktiven im Blasorchester auf sieben gesunken war. Viele Jahre war das Orchester ein fester Bestandteil des Dorflebens gewesen, hatten die Banzkower auch in umliegenden Orten Feste und Weihnachtszeit begleitet. Aber um frischer zu werden, auch in den Programmen mutiger zu sein, brauchte es zusätzlichen musikalischen Input. „Wir hatten den Anspruch, besser zu werden“, sagt Axel Jürgens und beschreibt den Weg, den die Mitglieder des Orchesters, immerhin alle ehrenamtlich unterwegs, dafür gegangen sind. Bei einem Mundstückbauer in Rheinland-Pfalz ließen sie individualisierte Mundstücke anfertigen, mit denen sich leichter spielen lässt. Ein Lehrer gab fachliche Tipps, ermutigte zum Durchhalten, versicherte, dass der Knoten irgendwann platzt. „Und wir sind besser geworden“, freut sich Jürgens, der auch zweiter Vorsitzender des eingetragenen Vereins „Blasorchester Banzkow“ ist und bei Konzerten die Moderation übrnimmt. Er selbst übt zu Hause unter dem Dach. Die Nachbarn hören das und haben kein Problem damit. Und auch Jürgens hat keins, wenn sie mal sagen: Ganz gut klang‘s heute noch nicht.

Auch das Besetzungsproblem hat das Orchester inzwischen gelöst. Die Banzkower hatten zum Glück schon immer gute Beziehungen zu anderen Ensembles in der Umgebung wie zum Beispiel zu den Schweriner Blasmusikanten, bei Auftritten half man sich gegenseitig aus. „Irgendwann sagten wir dann: Wir haben eine Tuba, aber kein Schlagzeug, ihr habt ein Schlagzeug, aber keine Tuba. Warum proben wir nicht zusammen?“, erzählt Jürgens von den ersten gemeinsamen Aktionen mit den Schweriner Blasmusikanten. Die Musiker verstanden sich gut – und machten schließlich aus zwei Vereinen einen. Rund 25 Bläser gehören dazu, mit 15 Frauen gibt es eine weibliche Übermacht – gar nicht so häufig in der Blasmusikszene. Der Name „Blasorchester Banzkow“ blieb bestehen. Und übrigens: Auch neue Musiker sind jederzeit willkommen.

In diesem Jahr haben die Banzkower Bläser das 55-jährige Bestehen ihres Orchesters gefeiert. Rund 25 Auftritte absolvieren sie jedes Jahr, so sind sie zum Beispiel am 27. September auf dem Oktoberfest in Schwerin zu erleben. Turbulent ist meist auch die Weihnachtszeit, wenn überall besinnliche Klänge gefragt sind.

Und ob besinnlich, schwungvoll oder jugendlich-frisch: Immer ist es Axel Jürgens und seinen Orchesterfreunden wichtig, die Menschen im Publikum mit ihrer Musik zu berühren. Und eigentlich, sagt er, kann die Blasmusik in einer Welt so vieler moderner Arrangements gar nicht verstauben: „Das sind Stücke, die werden niemals aufhören, schöne Musik zu sein.“.

Katja Haescher