Synagoge in Krakow am See erzählt jüdische Geschichte und ist heute ein Veranstaltungszentrum
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließ-lich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in der Alten Synagoge in Krakow.
Die Alte Synagoge in Krakow am See ist eine Rarität in Mecklenburg- Vorpommern: Sie überstand die Zeit des Nationalsozialismus ohne Schaden, da sie ab den 1920er Jah- ren als Turnhalle genutzt wurde. 1911 war hier zum letzten Mal ein Gottesdienst zum jüdischen Neu- jahrsfest gefeiert worden: Die Ge- meinde, die noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts floriert hatte, war immer kleiner geworden – ältere Mitglieder starben, jüngere zogen in größere Städte. Nicht ein- mal mehr die Mindestanzahl an männlichen Gläubigen für den Got- tesdienst kam noch zusammen. So verkaufte die Gemeinde schließlich das Grundstück nebst Synagoge für zehntausend Mark an die Stadt Kra- kow. Auflage war, das Haus für öf- fentliche Zwecke zu nutzen. So diente der umgebaute Betsaal im Erdgeschoss ab 1921 als Turnhalle für die Schuljugend und den Arbeiter- und Sportverein „Fichte Kra- kow“ – man trainierte darin und veranstaltete Wettkämpfe. 1926 er- richteten die Sportler vor der Syna- goge ein Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Turnbrüder. Dieses ist noch heute zu sehen. „Die Umwidmung rettete das Gebäude vor der Zerstörung. Denn auch die Leute, die in der Nazizeit dem Re- gime nahestanden, wollten nicht die Turnhalle beschädigen, die sie selbst nutzten“, sagt Kurt Höffgen.
Der Vorstandsvorsitzende des Kul- turvereins „Alte Synagoge“ hat sich intensiv mit der Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes be- schäftigt. Nachdem es nach 1945 als Getreidespeicher diente, war es ab 1946 erneut Turnraum. 1984 ent- stand eine neue Schulturnhalle, die alte wurde nicht mehr benötigt. Ob- wohl es schon damals Pläne gab, die einstige Synagoge umfassend zu sa- nieren und die Zentralbibliothek der Stadt in ihr unterzubringen, stand sie bis kurz nach der Wende leer, weil das Geld dafür fehlte. Eröffnet worden war die Synagoge 1866. Im Jahr 1821 zählte die jü- dische Gemeinde Krakows bereits 56 Mitglieder. Sie kauften in diesem Jahr einen Begräbnisplatz auf dem Friedhof an der Plauer Chaussee, der als jüdischer Friedhof immer noch existiert. „Dort befinden sich rund zwanzig Gräber mit ihren Stei- nen, die hebräisch oder hebräisch- deutsch beschriftet sind. Auch der Friedhof blieb durch die Zeiten hin- durch erhalten. Nun pflegen ihn seit vielen Jahren Schüler der Natur- parkschule Krakow“, erzählt Kurt Höffgen. Als die neue Synagoge als Nachfolgerin einer ersten, kleineren mit Spendengeldern errichtet und 1866 durch Landesrabbiner Salo- mon Cohn eingeweiht wurde, war die Gemeinde 110 Mitglieder stark. Die Gemeindeangehörigen waren oft als Händler oder Verkäufer tätig und gut ins Stadtleben integriert. Die Familie des Gemeindevorste- hers Benno Nathan, der 1930 starb, betrieb zum Beispiel ein Geschäft für Manufaktur- und Modewaren. Als die Synagoge nach dem Nieder- gang der Gemeinde verkauft und umgewidmet wurde, nahmen zu- nächst die Gemeindemitglieder die Gegenstände darin, wie Kandelaber, Torarollen, Vorhänge und Sitzbän- ke, zu sich. Später gingen sie an die jüdische Gemeinde in Güstrow.
Bei der Sanierung von 1992 bis 1995 modernisierte die Stadt das Haus und stellte gleichzeitig, wo möglich, den alten Zustand wieder her. So er- hielt der rund 80 Quadratmeter große Betsaal für die Männer wieder einen Steinfußboden. An der Ost- wand wurde nach alten Vorlagen mit Blattgoldplättchen die Bänder- malerei neu gestaltet. In einer Vitri- ne ist eine Tora aus dem Besitz der Familie Nathan ausgestellt. Gegenüber dem Betsaal befinden sich Räume, die der rund 90 Mit- glieder zählende Verein für die Bü- roarbeit nutzt. Er organisiert Le- sungen, Konzerte, Kinoabende, Ausstellungen und Vorträge. Im er- sten Obergeschoss hat er zudem eine ständige Ausstellung über das jü- dische Leben in Krakow etabliert. Seit 2019 dient die Synagoge auch wieder ihrem ursprünglichen Zweck. Einmal im Jahr, für das Jom-Kippur-Fest, kommt eine Ge- meinde aus Berlin hierher.
Beate Diederichs