Bechelsdorfer Schulzenhaus wurde in den 1960er-Jahren nach Schönberg umgesetzt
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute im Bechelsdorfer Schulzenhaus in
Schönberg, dem ältesten Freilichtmuseum Mecklenburgs.
Wie denn nun – Bechelsdorf oder Schönberg? Das Dorf liegt fünf Kilometer von der Kleinstadt entfernt und wenn die Schulzen dort ihren Stammsitz hatten, scheint die Frage des Ortes klar. Oder auch nicht, denn das reetgedeckte Bauernhaus steht schließlich in Schönberg. Des Rätsels Lösung ist ein Umzug mit Dach und Fach: In den 1960er-Jahren wurden Haus und Scheune als Kerngebäude eines alten Hofes nach Schönberg versetzt.
Ein gewaltiger Aufwand, der nur deshalb in Angriff genommen wurde, weil das Ensemble etwas ganz Besonderes ist. Das Haus überstand den 30-jährigen Krieg und andere Stürme, es wurde gebaut, als Reformator Martin Luther seine Thesen in Wittenberg an die Schlosskirche hämmerte. Die Bauzeit von 1517 für das Haus und 1523/24 für die benachbarte Scheune ergaben dendrochronologische Untersuchungen in den 1990er-Jahren. Und hielt man das Schulzenhaus zuvor auch für jünger, so erkannten dennoch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schon die Mitglieder des Heimatbundes für das Fürstentum Ratzeburg dessen Wert. Sie waren die ersten, die einen Umzug mit dem Ziel „Freilichtmuseum“ anschoben – allerdings fehlte ihnen das Geld.
Das ging der Hausbesitzerin Antonie Burmeister nicht anders, die sich 1928 in einem Schreiben an den Landrat wandte und auf die großen Reparaturen verwies, die an dem Gebäude nötig wären – übrigens vergeblich. In den 1950er-Jahren nutzte die LPG das Haus dann unter anderem als Schweinestall und Kunstdüngerlager, was den Zustand nicht verbesserte.
Auch Holzbohlen wurden herausgerissen und verheizt. So war der Umzug vermutlich die Rettung für das Gebäude, wenngleich sich daraus neue Probleme ergaben. Das hölzerne Ständerwerk wurde nämlich nach dem Abbau mehrere Jahre nicht fachgerecht gelagert, was feuchtigkeitsbedingten Pilzbefall zur Folge hatte.
Am Aufbau arbeiteten dann zahlreiche Helfer über das Nationale Aufbauwerk. Ein Fundament musste gelegt, das Ständerwerk gerichtet, das Dach mit Reet gedeckt werden. Danach öffnete das Bechelsdorfer Schulzenhaus als Freilichtmuseum – es ist heute das älteste Mecklenburgs. War das mittelalterliche Hallenhaus ursprünglich durch Diele und Abseiten geprägt, so zeigt es heute das Wohnen im 19. Jahrhundert.
Am Giebel der großen Diele geht es in die Stuben, die vom Ofen in der Küche aus beheizt werden. Solche Räume mit Funktion waren erst im 17. Jahrhundert entstanden, vermutlich in der Folge der „Kleinen Eiszeit“. Diese Kälteperiode veränderte den Alltag, da die Menschen jetzt sommers nicht mehr ausschließlich auf der kühlen Diele leben wollten.
Die Familie Oldörp machte da keine Ausnahme. Ihre Geschichte ist eng mit der des Hauses verbunden. Mehr als 400 Jahre lang stellten die Oldörps den Schulzen, den Dorfvorsteher von Bechelsdorf. Hans Hinrich Oldörp, der letzte Schulze aus dieser Familie, starb 1846 unverheiratet,worauf den Hof seine jüngere Schwester erbte.
Wer sich im Bechelsdorfer Schulzenhaus auf die Zeitreise begibt, betritt das Gebäude durch die große Tür. Sie führt auf die acht Meter breite Diele, die bei schlechtem Wetter auch Platz zum Dreschen oder Flachshecheln bot. Hier hatte ursprünglich der Herd seinen Platz. In den Abseiten befanden sich Kammern, die nicht beheizbar waren,
aber auch Ställe für das Vieh. Zur Wohnsituation des 19. Jahrhunderts, wie sie anhand anderer Bauernhäuser im Fürstentum Ratzeburg rekonstruiert wurde, gehören Küche, Wohnstube und Altenteilerstube.
Möbel und Alltagsutensilien machen den Eindruck authentisch. Als Teil des Volkskundemuseums in Schönberg kann das Bechelsdorfer Schulzenhaus Dienstag bis Donnerstag von 11 bis 17 Uhr und am Sonnabend von 13 bis 17 Uhr besichtigt werden.
Katja Haescher