Die Stadtkirche Gadebusch steht auf der Liste der Denkmäler von nationaler Bedeutung
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in der Stadtkirche Gadebusch, der ältesten romanischen Hallenkirche im südlichen Ostseeraum.
In jeder Sage steckt ein Körnchen Wahrheit. Ob das auch in Gadebusch, einer der ältesten Städte Mecklenburgs, so ist? Der Legende nach stammt die Bronze, welche die Rosette der Stadtkirche fasst, aus der Krone des Slawenkönigs Radegast. Zurzeit laufen Untersuchungen mit dem Ziel, das Alter des Metalls zu bestimmen. Und Krone hin, Krone her: Wenn die Bronze wirklich aus altslawischer Zeit stammt, wäre das eine kleine Sensation und wie so vieles an dem Bauwerk einzigartig.
1194 wird in Schriftstücken erstmals eine Kirche erwähnt, 1206 war das Gotteshaus fertig. „In Mecklenburg ist oft von Backsteingotik die Rede, hier haben wir es sogar mit Backsteinromanik zu tun“, sagt
Dr. Gerhard Schotte, der dem Förderverein der Gadebuscher Kirche vorsteht. Wer das Gebäude durch das Südportal betritt, passiert ein Kapitell, das noch aus der Bauzeit stammt und von der Steinmetzkunst der Meister der Ratzeburger Dombauhütte zeugt. Die waren von dort weiter nach Gadebusch gezogen – ein Weg, den Mitte des
12. Jahrhunderts Heinrich der Löwe geebnet hatte. Dem Sachsenherzog folgten deutsche Siedler, die zumeist aus Westfalen kamen und Hallenkirchen aus ihrer Heimat kannten. Es wurde also eine Kirche „wie zu Hause“, hier im fernen Nordosten, der noch vom slawischen Erbe geprägt war.
Die alte romanische Hallenkirche – drei gleich hohe Schiffe, die von wuchtigen Pfeilern getrennt werden – ist noch heute ein spiritueller Ort. Einziger Schmuck sind die farbig verglaste Rosette im Westgiebel und vier kleine Fenster in der Südwand, die im Zuge der 2011 beendeten Sanierung ihre romanischen Dimensionen zurückbekamen und eher den Luken einer Trutzburg ähneln.
Diese „rote Kirche“, wie er sie nennt, liebt Gerhard Schotte besonders. Trotzdem wäre sie nicht vollständig ohne die „weiße Kirche“. Denn während zu Zeiten der Gotik viele Gemeinden ihre romanischen Kirchen abrissen oder komplett umbauten, gingen die Gadebuscher einen anderen Weg: Mutig brachen sie die Ostwand auf und fügten der schlichten romanischen Halle eine gotische Kirche hinzu. Drei Stufen führen heute hinauf in diesen Altarraum und wer sie steigt, schreitet von einer Stilepoche hinüber in die nächste. Der gotische Anbau im Stil einer Basilika mit hoch aufstrebendem Mittelschiff entstand um 1430.
Wenige Jahre zuvor hatte Herzogin Agnes ihrem verstorbenen Mann Albrecht III. eine Kapelle gestiftet, die auch viele schwedische Besucher in die Kirche lockt. Die „Tre Kronors“, die drei Kronen des schwedischen Wappens, sind in dem auch Königskapelle genannten Anbau an mehreren Stellen zu finden. Nicht ohne Grund: Albrecht III. saß zwischen 1364 und 1389 auf dem schwedischen Thron, wenn auch mäßig erfolgreich. Er starb 1412 und wurde im Doberaner Münster beigesetzt. Seine Frau Agnes jedoch fand ihre letzte Ruhe in der Gadebuscher Königskapelle, wo ihre Grabplatte noch heute erhalten ist. Eine Tauffünte aus gotländischem Kalkstein ist in dieser Kapelle und in der ganzen Kirche das älteste Inventarstück.
Dies sind jedoch nicht die einzigen Fäden, die nach Schweden führen. Nachdem die Schweden 1712 in der Schlacht bei Wakenstädt während des großen Nordischen Krieges die Dänen besiegten, sollen deren Offiziere in der Gadebuscher Kirche gefangen gesetzt worden sein. Napoleonische Truppen nutzten das Gotteshaus ein knappes Jahrhundert später als Pferdestall.
Heute ist die Kirche wieder Kirche. Und was für eine: Aufgrund ihrer besonderen Bauweise wurde sie in die Liste der Denkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen.
Katja Haescher