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Ein berühmtes Wrack

In Wismar kennt es jeder. Wer auf die Insel Poel fährt, kommt daran vorbei. Und in der Szene der GPS-Schatzsucher in ganz Deutschland ist der dort verborgene Geocache legendär. Die Rede ist vom Redentiner Betonschiff, das nahezu in Spuckweite des Wismarer Ortsteils in der Ostsee liegt. Selbst in Reiseführer hat es der graue Koloss bereits geschafft – und für viele Geschichtsinteressierte ist er längst ein technisches Denkmal.

Eine ingenieurtechnische Meisterleistung ist das Betonschiff auf alle Fälle. Auch wenn es mehr wie ein untergegangener Wohnblock aussieht: Beton kann schwimmen. Dem zugrunde liegt das so genannte Archimedische Prinzip, wonach ein Körper durch das Verdrängen von Wasser Auftrieb erhält. Ist der Auftrieb höher als das Eigengewicht, schwimmt der Körper – in diesem Fall das Schiff.

Diese Tatsache wollte man sich in den stahlknappen Zeiten des Zweiten Weltkrieges zunutze machen, als man in alternativen Baustoffen einen ganz praktischen Nutzen sah. Erste erfolgreiche Versuche im Betonbootsbau hatte es bereits im 19. Jahrhundert gegeben. Der Franzose Joseph-Louis Lambot war der Erste, der aus Stahl und Beton einen schwimmbaren Untersatz kons­truierte. Seine Erfindung wurde 1855 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt. Auch die Niederländer und Italiener bauten im 19. Jahrhundert bereits Schiffe aus Beton.

1972 riss sich das Schiff los und lief auf Grund. Foto: Volkmar Eggert

In Deutschland gingen Betonschiffe in den 1940er-Jahre in Serie. Aus dieser Zeit stammt auch das Wrack in Redentin. Es wurde 1943 auf der Swinemünder Werft Dyckerhoff & Widmann KG mit einer Länge von 40,5 Metern und einer Breite von 7 Metern gebaut. Möglich machte dies die Technologie der Schalenbauweise, bei der Schiffskörper aus stahlbewehrtem Leichtbeton in einer Baugrube direkt am Strand entstanden. Peter Danker-Carstensen hat in einem Beitrag für ein wissenschaftliches Jahrbuch des deutschen Schifffahrtsmuseums Bremerhaven alle diese Details zusammengetragen.

Und noch viel mehr: Durch das schnelle Vorrücken der Roten Armee konnte das Redentiner Betonschiff nicht mehr fertig ausgerüstet werden, sondern wurde als leerer Rumpf in Richtung Westen bugsiert. Endstation war am Dornierhafen in Wismar. In den folgenden Jahren hatte der Koloss immer wieder wechselnde Nutzungen: als Lager und Fender und Wellenbrecher. Sogar eine Verarbeitungsstrecke für Fischkonserven sollte darauf entstehen – in diesem Falle blieb es aber bei dem Plan. In die Redentiner Bucht wurde das Schiff 1962 geschleppt. Jetzt nutzte es die örtliche Fischerei-Produk­tionsgenossen­schaft als Lager. 1972 riss die Verankerung in einem Sturm und das Betonschiff trieb in Richtung Küste und sank mit mehreren Lecks im flachen Wasser.

Seitdem liegt es dort wie ein – nun ja – Betonklotz. Der Versuch, das Wrack an Land zu schleppen, misslang. Und auch alternative Nutzungen – bis hin zum Verkauf an die Schauspielerin Christine Laszar zwecks Umwandlung in ein Partyschiff oder Ferienobjekt – zerschlugen sich. Das Schiff blieb, wo es war und kam sogar ins Fernsehen: 1987 diente es als Kulisse für den Film „Sansibar oder der letzte Grund“.

Übrigens ist es nicht das einzige Betonschiff, das in Mecklenburg zu sehen ist: Im Rostocker Schifffahrtsmuseum befindet sich mit der Capella ebenfalls eines aus diesem Material – wie das Redentiner Schiff vom Typ „Seeleichter Wiking Motor“. Und wenn auch um die Bordwände des Redentiner Schiffs schon Jahrzehnte lang das Ostseewasser plätschert: Der Beton hält und hält und hält. Natürlich sind die Jahre an dem Schiff nicht spurlos vorbeigegangen. Mehrere Lecks lassen Wasser ins Innere, Stahlteile rosten, das Drahtgeflecht ist an vielen Stellen sichtbar.

Dieser morbide Charme hat dem Betonschiff den Ruf eines „Lost Place“ eingetragen – verbunden mit einer Popularität, unter der Anwohner in der Vergangenheit oft zu leiden hatten. Denn immer wieder machten sich Abenteuerlustige zu Fuß durchs seichte Wasser auf den Weg hierher, ohne dabei am Ufer auf Privatwege zu achten. Inzwischen kommen die meisten von ihnen per Boot – darunter auch die Schatzsucher, die es auf den Cache – das Ziel einer GPS-gestützten Schnitzeljagd – abgesehen haben.