Pietro Fanelli ist der Liebe wegen nach Deutschland gekommen – und unterrichtet hier Italienisch
Bari. Kurz vor dem Absatz des italienischen Stiefels gelegen, ist die Hauptstadt der Region Apulien eine sonnenverwöhnte Metropole mit freundlichen Menschen und einem reichen kulturellen Erbe. Verständlich, dass Pietro Fanelli ins Schwärmen gerät, wenn er von seiner Heimatstadt erzählt. Ein bisschen, sagt er, erinnert Schwerin ihn an sie – auch so eine Schönheit am Wasser. Ganz besonders dann, wenn Sonnenlicht und blauer Himmel das i-Tüpfelchen auf die Kulisse setzen. Dass dies in der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns deutlich seltener passiert als in der Hauptstadt Apuliens gehört zu den Unterschieden, mit denen Pietro Fanelli lebt, seit er nach Deutschland gekommen ist – der Liebe wegen.
Die traf er in Rom, wo der Maschinenbauingenieur nach dem Besuch des Polytechnikums in Bari seinen Masterabschluss in Erneuerbaren Energien gemacht hatte. Nach dem Studium blieb er in der Hauptstadt und arbeitete bei einer großen italienischen Ölgesellschaft – seiner heutigen Frau begegnete er während ihres Urlaubs
in der Ewigen Stadt. Führte das Paar zunächst noch eine Fernbeziehung, zog Pietro Fanelli Ende 2015 nach Deutschland.
Inzwischen waren auch die beiden Söhne Matteo und Leonardo geboren und die Phasen der Trennung waren für alle schwierig. Zuerst war die Familie in München zu Hause, bevor sie 2017 ihren Lebensmittelpunkt nach Schwerin
verlegte – in die Heimatstadt seiner Frau. „Die Stadt ist gemütlich, nett und familienfreundlich. Ich mag die Natur, die hier wie in den meisten Teilen Deutschlands sehr sichtbar ist“, sagt der 48-Jährige, der besonders gern am See entlang in Richtung Zippendorf unterwegs ist und das viele Grün genießt – das gibt es in Bari seltener.
Andere Unterschiede liegen eher in der Mentalität. Pietro Fanelli bedauert, dass die Schweriner Straßen nach 20 Uhr oft menschenleer und die Geschäfte bis auf wenige Bars geschlossen sind. „Ein Spaziergang durch das Zentrum ist zu dieser Uhrzeit manchmal traurig“, sagt er und muss an Bari denken, wo abends die Stadt pulsiert, die Menschen herausströmen, um zu spazieren und zu flanieren und Bars und Cafés bis spät in den Nacht geöffnet sind. Wenn es nach Pietro Fanelli geht, könnte dieser Aspekt künftig gern die Liste der Gemeinsamkeiten ergänzen.
Was für ihn auf jeden Fall schon dazugehört, sind die freundlichen Menschen in Schwerin, die er als zugänglich und aufgeschlossen gegenüber Fremden erlebt hat. Und als interessiert. Das mag auch daran liegen, dass Pietro Fanelli
ein wunderbarer Botschafter seines Heimatlandes ist.
In zwei Kursen an der Volkshochschule vermittelt er die italienische Sprache und Kultur. „Ich liebe es zu unterrichten“, sagt der Ingenieur, der sich parallel auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung qualifiziert hat.
Nach einem guten Tipp fürs Sprachenlernen gefragt, rät er, die Muttersprache hinter der Klassenzimmertür zu lassen und sich nicht an Regeln zu halten. Dafür hat er eine Metapher parat – die eines Luftballons, der an einer Schnur hängt. Diese Schnur, sagt Pietro Fanelli, steht für die Regeln, an die sich gerade erwachsene Schüler aus Angst vor Fehlern gerne klammern.
„Wichtig ist aber, die Schnur zu kappen und den Ballon fliegen zu lassen.“ Deshalb spricht er mit seinen Schülern nur Italienisch. Angst davor braucht niemand zu haben – als selbst Deutsch Lernender kann der Lehrer Hemmungen beim Sprechen gut verstehen.
Denn wenn es um die Tücken einer Sprache geht, hat auch das Deutsche einiges zu bieten: Gedicht,
Gewicht, Gesicht, Gericht – das klingt beinahe gleich und heißt doch so viel.
Auch mit seinen Söhnen spricht Pietro Fanelli ausschließlich Italienisch – die Jungen wachsen zweisprachig auf. Mit seiner Frau hat er, wie er selbst sagt, inzwischen ein „sprachliches Gleichgewicht“ erreicht. Das Paar unterhält sich in einer Mischung aus Italienisch, Deutsch und Englisch. „Im familiären Umfeld sollte ich wirklich mehr Deutsch sprechen“, sagt Pietro Fanelli, um gleich ein italienisches Sprichwort zu zitieren, das seines Erachtens perfekt zu ihm passt: „Il calzolaio va sempre con le scarpe rotte“ – der Schuster geht immer mit kaputten Schuhen. So sagt man es auch im Deutschen, was wieder einmal für die vielen Gemeinsamkeiten spricht. Aber in einem Punkt sind die Unterschiede dann doch sehr greifbar: in der Küche. Pietro beansprucht zu Hause den Platz am Herd und bringt gern Gerichte aus seiner Heimat auf die Teller – Minestra di riso, patate e cozze beispielsweise, ein Ofengericht aus
Reis, Kartoffeln und Miesmuscheln.
Das ist typisch für Apuliens gesunde, einfache Küche, die er sehr liebt. Und wenn Zutaten in Mecklenburg manchmal schwierig zu bekommen sind, wie zum Beispiel der in Apulien gern verwendete Stängelkohl „cima di rapa“, dann weiß Pietro Fanelli sich zu helfen: „Das klappt mit Grünkohl auch ganz gut.“
Katja Haescher