Wird hier gebaut? Weiße, graue, hautfarbene Tonröhren verlaufen längelang durch das Mittelschiff der riesigen Wismarer St.-Georgen-Kirche, passieren es als breiter schwingender Fluss in Richtung Altarraum, machen die Quer-Passage unmöglich. Was fließt hier? Gas für die Schneidbrenner am Horizont unserer Fantasie? Oder sind es Gebeine, ausgehöhlt, marklos und aus alten Ossuarien herbeigeschafft, aus den Beinkammern des Drachentöters in den Gruften der Kirche des Heiligen Georg?
In der Ausstellung „Auf Sicht fah-ren“ sind noch bis zum 30. Oktober Rauminstallationen von Katharina Hohmann zu sehen, die sich in ihren Arbeiten oft Installationen an historisch gewachsenen Stätten widmet. Das Spiel der Assoziationen spielt sie auch in Wismar: „Die St.-Georgen-Kirche ist ein Transitraum und in ihrer Dimension kaum fassbar. Ich habe diese große Anzahl einzelner Keramikskulpturen eigens für diese Installation hergestellt, als meine Hommage an die rote, von Menschen gemachte Backsteinkirche“, sagt Hohmann. „Diese habe ich nun etliche Male durchmessen – in gewisser Weise sind die Rohrskulpturen, ihre Herstellung, aber auch ihr Positionieren im Kirchenschiff als meine körperliche Annäherung an Raum und Zeit zu verstehen. Die Röhren sind aber auch offene Denk-Gefäße: Deren Form und Funktion ist so alt wie auch sehr zeitgenössisch.“
Hinten in der Südkapelle, ausgelegt auf zwölf Podesten, die zu Tischen werden, erzählen knapp hundert Aquarelle von Wismars Werft und den – kaum nahbaren – Schiffen: dem Stapellauf, der Fahrt auf hoher See, schließlich den indischen Abwrackstränden. Geschichten mit einem Ende. Schiffe, die Namen tragen, wie Menschen. „Einst schrieben sich Menschen in ihrer Sehnsucht nach Unsterblichkeit auf riesigen Grabplatten in diesen Raum ein“, sagt Hohmann.
Die in Berlin lebende Performancekünstlerin und Autorin Olga Hohmann und der Szenograf und Performer Lukas Kesler collagieren – in Zusammenarbeit mit dem Musiker und Produzenten Luka Seifert – aus all jenen Namen der in Wismar gebauten Schiffe einen dialogischen Sound, der während der Ausstellung im Kirchenschiff einen Oktober lang zu hören sein wird und die stumme Installation und die Aquarelle zum Tönen bringt. Zu sehen ist die Ausstellung täglich von 10 bis 18 Uhr.