Gebäude der Ludwigsluster Stadtverwaltung ist wichtiger Teil der barocken Planstadt
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in der Schloßstraße 38 in Ludwigslust, wo das Rathaus vom Wachsen einer Planstadt erzählt.
Mit der Jagdleidenschaft von Christian Ludwig II. fing alles an. Rund um das Dörfchen Klenow gab es Wald und Wild und der Fürst ritt hier regelmäßig auf die Hatz. Da lohnten sich ein eigenes Jagdhaus und natürlich auch ein klangvoller Name für den Ort, in dem es stand: Ludwigs-Lust. Das machte etwas her und es tat nichts zur Sache, dass die so bezeichnete Siedlung immer noch ein Dorf war. 1756 starb der Herzog und Sohn Friedrich übernahm nicht nur die Regierung, sondern auch die Vorliebe für Ludwigslust. Und er machte eine Stadt daraus, die im Gefolge des Schlosses zuerst auf dem Reißbrett und später aus Backstein entstand.
Baumeister Johann Joachim Busch plante ein komplettes Ensemble mit Stadtkirche, Bürger- und Beamtenhäusern. Und so beginnt dann auch die Geschichte des Gebäudes mit der Nummer 38 in der damaligen Großen Straße, die von der Schlossbrücke zum heutigen Alexandrinenplatz führte. Das 1780 mit zwei Geschossen, Walmdach, Zwerchgiebel, Balkon und barocker Fensterteilung errichtete Haus entstand an einer der hervorgehobenen Stellen, an denen sich die Schloßstraße zu kleinen Plätzen weitet.
Schon damals war es ein echtes Multifunktionsgebäude – mit Platz zum Wohnen, fürs Gericht und für die Ludwigsluster Carton-Fabrique. Letztere trug zum Ruhm der Residenz bei, denn Büsten, Statuen und Reliefs, Tapetenleisten und Konsolen aus der hauseigenen Produktion wurden bis ins Ausland verkauft. Und auch was im Ludwigsluster Schloss wie Gold glänzt, ist oft schlichtweg aus Pappe – oder besser gesagt aus dem berühmten Pappmaché. Ein Lakai namens Johann Georg Bachmann hatte die Kunst des Modellierens aus Papierbrei vervollkommnet und kam damit sowohl der Repräsentationslust als auch dem klammen Portmonee von Herzog Friedrich entgegen.
Fortan ließ der Regent alte Akten aus der Verwaltung des Herzogtums an die Carton-Fabrique nach Ludwigslust liefern, wo sie ein neues Leben begannen – ob als Schmuckleiste, Säule oder Kaiser Napoleon. Bis 1817 hatte die Carton-Fabrique ihren Sitz im heutigen Rathaus, dann wurde die Produktion eingestellt.
Papier allerdings blieb in dem Gebäude wichtig – oder besser gesagt: Wertpapier. Als am 1. Januar 1884 die Ludwigsluster Sparkasse ihre Arbeit aufnahm, befand sich hier die Geschäftsstelle. Allerdings reichte dafür ein Raum: Die Sparkasse hatte nur wenige Stunden in der Woche geöffnet und wurde nebenamtlich verwaltet. Das alles hat Sylvia Wegener, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit im Rathaus Ludwigslust, bei ihren Recherchen zur Geschichte des Gebäudes herausgefunden.
Und noch viel mehr: 1921 zog die Sparkasse ins Erdgeschoss, weil der Kundenverkehr mit Einführung des Bankkontokorrents zugenommen hatte. Zuvor hatte in diesen Parterre-Räumen der Bürgermeister gewohnt. Ludwigslust besaß nämlich seit 1876 offiziell das Stadtrecht und so fand das Stadtoberhaupt in dem Backsteingebäude praktischerweise nicht nur seine Wohnung, sondern auch sein Arbeitszimmer. Ebenfalls im Haus wohnte der Polizeidiener, der die Aufsicht über das gleich dahinter gelegene Gefangenenhaus hatte.
Bei so vielen verschiedenen Nutzungen ist klar, wie oft umgebaut werden musste. Und angesichts der Tatsache, dass auch Sitzungssaal, Grundbuchamt und Wartezimmer, Stadtkasse, Standesamt und militärisches Ersatzbüro nebst Stammrolle im Gebäude untergebracht waren, ist genauso klar, dass es bald zu eng wurde. Die Situation entspannte sich etwas, als zusätzliche Büros im Gefangenenhaus entstanden. Später kaufte Bürgermeister Dr. Wilhelm Behn ein benachbartes Grundstück und zog aus. 1935 folgte die Sparkasse, die sich weiter vergrößerte.
In den nächsten 55 Jahren passierte am Ludwigsluster Rathaus wenig, es wurden nur die notwendigsten Reparaturen ausgeführt. Und so war das Gebäude 1990 für eine Kommunalverwaltung mit vielen neuen Aufgaben erstens zu marode und zweitens zu klein. Zwischen 1993 und 1996 erhielt das Rathaus unter sorgfältiger Wahrung der historischen Ansicht moderne Büroräume und einen Zuwachs an Nutzfläche. Das freut die Mitarbeiter genauso wie die Einwohner. Denn mit der Bibliothek und dem überdachten Lichthof ist hier auch ein beliebter städtischer Veranstaltungsort entstanden.
Katja Haescher