„Die Möwen sehen alle aus, als ob sie Emma hießen.“ So dichtete einst der Dichter Christian Morgenstern. So weit, so gut. Nur wenn Leute mir gegenüber diese Zeilen aufsagen, werde ich immer ein bisschen nervös. Weil ich weiß, wie es weitergeht. Nämlich so: „Sie tragen einen weißen Flaus und sind mit Schrot zu schießen.“
Das ist oft das Schlimme an Zitaten. Sie werden in irgendwelche Gedichte geschrieben, in irgendwelchen Reden gesprochen und verselbstständigen sich irgendwann. Oder werden falsch weitererzählt. Oder unvollständig. Oder wurden nie gemacht. Bismarck zum Beispiel soll mal sinngemäß gesagt haben, in Mecklenburg käme alles 50 Jahre später. Der Witz ist alt und belegt ist er nicht. Manche behaupten sogar, es wären 100 Jahre gewesen, die haben wahrscheinlich beim letzten Trip an die Ostsee keinen Parkplatz gefunden und sind immer noch sauer.
Überhaupt habe ich vom Phänomen falscher Zitate schon häufiger gehört. Wahrscheinlich klingt ein Satz einfach besser, wenn Einstein druntersteht oder Goethe. Ist vielleicht auch mit der Hoffnung verbunden, dass ein kluger Mensch den ganzen Tag nur Kluges spricht. Brauchste nur mitzuschreiben, fertig. Oder abzuschreiben. Und schon färbt ein bisschen Klugheit auf dich ab. Da frage ich mich, warum man eigentlich immer am Ruhm anderer picken muss? Ich zitiere Morgenstern: „O Mensch, du wirst nie nebenbei der Möwe Flug erreichen. Sofern du Emma heißest, sei zufrieden, ihr zu gleichen.“
Euer Matti
(notiert von Katja Haescher)