Ich werde niemals heiraten. Als ich das neulich mal laut sagte, verursachte es schockiertes Schweigen in der Kolonie. Danach war das Gezeter umso größer. Warum denn, Liebe ist doch etwas Schönes, warte nur, bis der oder die Richtige kommt, waren noch die harmlosen Wortmeldungen. Mich schrecken ja auch nicht Liebe und Ehe, sondern die Hochzeit. Selten ist mir eine Veranstaltung mit antiquierterem Brauchtum untergekommen. Das Kleid? Darf er vorher nicht sehen! Keine Perlen! Dafür aber unbedingt etwas Geborgtes und etwas Blaues.
Und während ich noch überlege, wie ich es am besten mit einer geliehenen Blaubeere im Schnabel ins Standesamt schaffe, schleppen Traditionsexperten bereits einen Baumstamm zum Durchsägen vor dessen Tür. Auch wenn die meisten Menschen sonst eher selten Stämme zertrennen: Bei der Hochzeit scheinen sie alle drauf zu fliegen. Junge, selbstbewusste Frauen, die durchaus Feminismus buchstabieren können, wollen plötzlich Prinzessinnen sein. Sie lassen sich von ihren Vätern vor den Altar oder den Schreibtisch im Rathaus führen und an künftige Ehemänner aushändigen. „Ach, sei doch nicht so unromantisch!“, heißt es immer, wenn ich diese Bedenken äußere. Und klar, ein bisschen komisch komme ich mir schon dabei vor, ständig gegen den Strom zu schwimmen. Vielleicht geht‘s ja ohne Brimborium, wenn ich mich einfach in der Vogelwarte beringen lasse.
Euer Matti
(notiert von Katja Haescher)