Leistung und Tradition machen das Landgestüt Redefin zu einem wertvollen Kulturgut
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken –diesmal in die traditionsreiche Geschichte des Landgestüts Redefin.
Im Jahr 1812 erhielt Vollrath Joachim von Bülow von seinem Großherzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin den Auftrag, ein Landgestüt zu gründen: die Geburtsstunde des heutigen Landgestüts Redefin. Nachdem zu Beginn lediglich ein Ökonomieinspektor, ein Gärtner und drei Gestütsknechte beschäftigt waren, vergrößerte sich der Bestand des Gestüts mit der Zeit zusehends. Der Gelbschimmel Thucydides stieg zum Hauptbeschäler auf und wurde bis 1830 zu einem der Väter der Mecklenburger Rasse. Mit wachsendem Bestand wurden auch neue Gebäude notwendig, die der Großherzog 1819 in Auftrag gab. Anvertraut wurde diese Aufgabe Oberlandbaumeister Carl Heinrich Wünsch. Damals entstand die heute sichtbare Struktur im klassizistischen Baustil auf dem Landgestüt Redefin, die die Reithalle mit den Kolonnaden zu den anschließenden Hengstställen, das Mutterstutenhaus, die Pferdeschwemme sowie die beiden Gebäude für Tierarzt und Inspektor umfasst. Wünsch ordnete die Gebäude um einen großen Platz herum an, der von einer breiten Sandbahn eingefasst wird und auf dem zwei Pferdegespanne bequem nebeneinander Platz finden. In der Mitte legte der Oberlandbaumeister eine Pferdeschwemme an, in der die Tiere nach ihrem Einsatz gesäubert und getränkt wurden. Das besondere Meisterstück des Gestüts bildet das Portal zur Reithalle, das in seiner Höhe die dahinterliegenden Stallungen fast um das Doppelte überragt. Die dorischen Säulen, die helle Farbigkeit und die besondere Gestaltung des Dachgesims mit Vierpassornamentik und Triglyphen sollten die Blicke der Besucher zukünftig auf sich ziehen.
Als besondere Veredelung des Baus ist jedoch eindeutig das goldene Monogram von Herzog Friedrich Franz I. auf blauem Grund zu bezeichnen, welches damals auch dem Brandzeichen der Hengste entsprach. Die Krönung des Portals stellt ein stolzer Hengst dar, für dessen Anfertigung der Modelleur und Tischler Johann Heinrich Jacoby im Jahr 1822 dem Landgestüt 194 Taler in Rechnung stellte. Die Reliefs, die das Portal seitlich flankieren, zeigen auf der einen Seite die Hengste und auf der anderen Seite die Stuten mit ihren Fohlen. Das Reithallenportal im Blickpunkt des Landgestüts vereint sowohl die Zweckmäßigkeit als auch die Eleganz der Anlage. Das Oberstallmeisterhaus und das Rossarzthaus sowie einige wirtschaftliche Bauten und Ställe sind ebenfalls im klassizistischen Stil gestaltet und runden das architektonische Bild ab.
In den Jahren des zweiten Weltkrieges wurde das Gestüt vornehmlich zur Zucht von Pferden genutzt, die im Krieg eingesetzt wurden. In den 1960er Jahren und der damit einhergehenden fortschreitenden Technisierung sowie der Auflösung von Bauernwirtschaften ging die Pferdezucht in Redefin stark zurück, da nun deutlich weniger Arbeitspferde benötigt wurden.
Mit der Etablierung des Reitsports als Volkssport wurde die Zucht im März 1966 auf die Reitpferdevermarktung ausgelegt. Pferdeleistungsschauen, im Volksmund auch Hengstparaden genannt, wurden in den 1970er Jahren immer beliebter und wuchsen auf dem Landgestüt zu einem jährlichem Großereignis, bei dem der Stand der Pferdezucht präsentiert und die Einsatzmöglichkeiten der Pferde gezeigt wurden. Auch in der heutigen Zeit sind die touristischen Angebote eine von drei Säulen, auf denen das Landgestüt Redefin steht. Neben den Hengstparaden werden auch Fahr- und Reitturniere sowie individuelle Freizeitmöglichkeiten auf dem Gestüt angeboten. Ab 1995 wurden mithilfe des Förderkreises des Landgestüts und weiteren großzügigen Sponsoren umfangreiche Sanierungsarbeiten am Gestütsensemble durchgeführt. Mithilfe eines Architekturwettbewerbs wurde die Reithalle in ihrer Breite an die aktuellen Standards angepasst, ohne das architektonische Gesamtbild des Gestüts zu stören. Im ehemaligen Stall des Gestütsdirektors findet seit 2004 ein Informationszentrum für Gäste Platz. Im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 erfolgten diverse Restaurierungsarbeiten an allen Gebäuden des Gestütsensembles, um ihre Nutzbarkeit wieder herzustellen oder aufrecht zu erhalten.
Heute bietet das Landgestüt Redefin neben seinen touristischen Angeboten auch die Bereitstellung hochwertiger Zuchthengste sowie einer EU-Besamungsstation und einer nationalen Besamungsstation an. Leistungsprüfungen von Zuchtpferden sowie der Ankauf von Fohlen und die Junghengstaufzucht gehören ebenfalls zu den angebotenen Dienstleistungen. Um die Weiterführung der traditionellen Pferdezucht auch zukünftig zu sichern, können auf dem Landgestüt Redefin zudem diverse Aus- und Weiterbildungen absolviert werden, wie beispielsweise als Pferdewirt, Pferdesportler oder Pferdepfleger. Die Zukunft des Landgestüts Redefin steht ganz im Zeichen der Pflege des tradionsreichen Kulturgutes wie auch der Bewahrung des Wissens um die Ausbildung und Zucht der Pferde.
Laura Piontek