Ein Ort, an dem der Ausstieg aus der „normalen“ Welt gelingt. Ein Übergang ins Phantasiereich, ins Geschichtenland, ins Anderswo – alles das hat Anna Hasenfuss in einem Puppenhaus gefunden. Es ist der Titel ihres ersten Romans, den sie unter diesem Pseudonym geschrieben hat. Sie hat diesen Namen gewählt, um ungestörter zwischen ihren beiden Lebenswelten wechseln zu können. „Das ist wie zwei Handys zu haben. Man kann eines davon bei Bedarf abschalten“, sagt die gebürtige Mecklenburgerin, die heute in Lübeck zu Hause ist.
Das Leben der Schriftstellerin also. Es begann, als Anna Hasenfuss beschloss, eine Geschichte für ihre Nichte zu schreiben. Die war damals 13 und mochte „Elfen, Zauberei und Spökenkram“. Und war dies noch etwas diffus, so hatte die Tante von der Länge der Story bereits klare Vorstellungen: zehn DIN-A4-Seiten.
Nun liegt „Das Puppenhaus“ als fertiger Roman vor ihr und es hat 254 Seiten. Protagonistin ist Rose, die aus London ins Haus ihrer verstorbenen Großmutter nach Holymoor zieht. Per Brief hat die Großmutter um Hilfe gebeten – erstaunlich, ist sie doch seit zehn Jahren tot. Genauso erstaunlich und geheimnisvoll geht es weiter in der Geschichte, in der sich vor Rose und ihren Freunden im schottischen Hochmoor eine Parallelwelt auftut: mit grausigen Katzen–trollen, unfreundlichen Bäumen und einer Hexe, die alte Rechnungen begleichen will.
Die Geschichte, sagt Anna Hasenfuss, ist beim Schreiben gewachsen. Schnell sei klargeworden, dass Roses Abenteuer ganze Kapitel füllen würden. War wieder eins fertig, schickte es die Autorin an Freunde, die gern Testleser waren und schließlich auch an den Schauspieler Peter Grünig vom Lübecker Theater. „Er muss schließlich in seinem Beruf wissen, ob eine Geschichte funktioniert“, sagt die 51-Jährige und fügt hinzu: „Er hat mir dann auch mitgeteilt, wen er selbst daraus am liebsten spielen würde: Casimir McFarlaine.“
Dieser erste Diener der Hexe, ihr Kater und nun Katzentroll, gehört zum düsteren Personal der Story. Und er ist einer von denen, die bei Lesern immer wieder eine Frage provozieren: „Mögen Sie eigentlich keine Katzen?“ „Doch“, sagt Anna Hasenfuss dann und lacht: „Mein kleiner schwarzer Kater, inzwischen im Katzenhimmel, wäre für so viel Bosheit viel zu vertrottelt gewesen.“ Es sind Menschen, die sie vor Augen hat, wenn sie schreibt. Manchmal, sagt sie, glaubt sie in Menschen ein Tier zu erkennen, sei es im Erscheinungsbild oder im Gebaren. „Dann sage ich mir, dem fehlen nur noch ein paar Schnurrhaare …“
Nicht nur in ihrer Geschichte kann Anna Hasenfuss überraschen. Auf die Frage nach ihrer Begeisterung fürs Erzählen gesteht sie erstmal, ein ziemlich schreibfauler Mensch zu sein. „Meine Testleser mussten oft sehr lange auf die nächsten Kapitel warten.“ Dass sie darüber schimpften, wertete sie indes als gutes Zeichen.
Und genauso geht es ihr ans Herz, wenn sich Menschen melden und sagen, wie sehr ihnen das Buch gefallen hat. Wenn die Buchhändlerin „Das Puppenhaus“ im Geschäft neben dem Aufsteller mit dem Neuling von Bestsellerautor Sebastian Fitzek platziert. Wenn Influencer bei Instagram und Facebook den Daumen nach oben zeigen. Dann weiß sie, dass es sich gelohnt hat, nach der Arbeit so oft zugunsten des Schreibtischs auf die Couch verzichtet zu haben.
„Vor 400 Jahren wäre ich mit den Fragen in meinem Google-Suchverlauf wahrscheinlich auf dem Scheiterhaufen gelandet“, ist Anna Hasenfuss überzeugt. Welche Dinge nutzten Hexen? Was ist drin in so einem Zaubertrank?, waren nur einige davon. Und Folter, ja auch Folter, musste sie erleben, sagt die Autorin und denkt an ihre erste Lesung. Nicht, weil dass Buch durchfiel, im Gegenteil. Aber sie sei ungeheuer aufgeregt gewesen, die Reaktionen des Publikums zu beobachten: „Oh Gott, ist der jetzt eingeschlafen? Der hat mit den Augen gerollt – ist ihm langweilig?“ Solche Fragen, gesteht Anna Hasenfuss, habe sie sich gestellt, bis der Beifall sie erlöste.
Aber anders als ihr Künstlername sagt, fasst sie sich in solchen Situationen ein Herz – auch um für ihr Buch zu werben. Als Betriebswirtin weiß sie, wie es geht. Es gibt eine Internetseite, Merchandising und sogar ein von der gelernten Tischlerin selbst gebautes Puppenhaus, das in einem Fenster in der Wismarer Schatterau zu sehen ist.
Man merkt: Anna Hasenfuss hat Gefallen an ihrer Parallelwelt gefunden. Fortsetzungen vom Puppenhaus wird es nicht geben, die Geschichte ist zu Ende erzählt. Aber ein, zwei Figuren, deren Ende offen ist, könnten in einen neuen Plot umziehen, der bestimmt wieder in Schottland spielen könnte. „Ich find‘s da einfach großartig“, sagt Anna Hasenfuss. Wenngleich: Ihr nächstes Buch, dessen Gerüst bereits fertig ist, wird in Schweden und Grönland spielen: „Weil es in der Geschichte kalt sein muss“ – und das muss jetzt auch erstmal reichen, weil mehr wird sie nicht verraten. Ende dieses, Anfang des nächsten Jahres soll es soweit sein. Katja Haescher
Gewinnspiel
Anna Hasenfuss: Das Puppenhaus,
Edition Winterwork,
ISBN 978-3-960014-637-7.
„Journal eins“ verlost ein signiertes Exemplar des Romans. Schreiben Sie bis 3. Mai eine Mail mit dem Betreff „Puppenhaus“ an redaktion@journal-eins.de. Wir losen unter allen Einsendern aus.