„Exopulse Mollii Suit“ von Ottobock hilft mit elektrischer Stimulation bei neurologischen Erkrankungen
Spasmen reduzieren und die Beweglichkeit verbessern, sogar dazu beitragen, mehr und sicherer laufen zu können – all das kann der „Exopulse Mollii Suit“. Das Medizinprodukt aus dem Hause Ottobock ermöglicht eine elektrische Nervenstimulation. Wie diese funktioniert, erklärt Orthopädietechnikermeister Torsten Lindig. Der Kowsky-Mitarbeiter hat gerade eine spezielle Schulung absolviert, deren Zertifikat ihm den kompetenten Umgang mit der Technologie bestätigt.
„Mollii“ ist ein dünner Ganzkörperanzug aus Elasthan. Zweilagig genäht, stecken zwischen den beiden Stoffschichten 58 Silikon-Elektroden. Wird der Mollii-Anzug angezogen, kann über diese Elektroden mittels einer externen Steuerungseinheit die elektrische Stimulierung verschiedener Körperbereiche erfolgen. „Diese
Anwendung dauert eine Stunde, Zeit, in der man zum Beispiel frühstücken oder fernsehen kann“, sagt Torsten Lindig. Denn der „Mollii-Suit“ wird problemlos zu Hause genutzt.
Das Medizinprodukt wurde für Kinder und Erwachsene mit verschiedenen neurologischen Erkrankungen entwickelt. Dazu gehört Zerebralparese mit einhergehender Spastik – einer motorischen Störung, die sich in erhöhter Muskelspannung mit Knochenverformungen, Muskelund Weichteilverkürzungen und eingeschränkter Beweglichkeit äußern kann. Auch Menschen, die unter Multipler Sklerose und schwacher Muskelaktivierung leiden, die einen Schlaganfall oder Rückenmarksverletzungen erlitten haben, können vom „Mollii-Suit“ profitieren. Durch die elektrischen Impulse stimuliert die Behandlung bestimmte Muskelgruppen und erleichtert damit die willkürliche Aktivierung der Muskulatur. „Spastische Muskeln werden entkrampft, man wird mobiler, kann besser und schneller laufen, Schmerzen werden reduziert“, sagt Torsten Lindig. Auch die Blasenfunktion kann sich verbessern, was wiederum eine bessere Schlafqualität bedeutet. Und bei weniger Schmerzen bedarf es auch weniger medikamentöser Schmerzmittel – ebenfalls ein Plus an Lebensqualität.
Während der Schulung hat Torsten Lindig sehr emotionale Szenen erlebt: „Wenn ich einen Menschen sehe, der vor der Stimulation nicht aufstehen kann, danach aber in der Lage ist, einen zehn Meter langen Testweg zu absolvieren, ist das etwas Besonderes“, sagt der Orthopädietechnikermeister. Auch Hilfsmittel wie Orthesen lassen sich einfacher und besser anlegen, wenn Mollii zuvor die verkrampfte Muskulatur entspannt hat. Allerdings gibt es auch Krankheitsbilder, die gegen eine Anwendung des Anzugs sprechen – zum Beispiel, wenn ein batteriebetriebener Herzschrittmacher getragen wird.
Bei einigen Krankheiten, wie zum Beispiel Epilepsie, ist eine vorherige Abklärung durch den behandelnden Arzt nötig. Den Neuromodulationsanzug gibt es in 37 verschiedenen Größen. Das Sanitätshaus Kowsky ist für diejenigen, die sich für Mollii interessieren, die richtige Adresse. Liegt eine entsprechende Indikation vor, gibt es hier einen Verordnungsvorschlag. Die nächste Station ist dann die Krankenkasse, in einer Testphase wird ermittelt, ob der Anzug im individuellen Fall eine Verbesserung
bedeutet. Die Idee der transkutanen – also durch die Haut vorgenommenen – elektrischen Nervenstimulation, die im „Mollii-Suit“ steckt, kommt aus Schweden. Inzwischen ist es die Firma Ottobock, zu deren innovativen Produkten der Anzug gehört. Torsten Lindig ist schon sehr gespannt, wie sich die Technologie weiter entwickeln wird. „Ich denke, das steht erst am Anfang“, sagt er – und geht davon aus, dass weitere Innovationen folgen werden.