Zweimal Johann Albrecht: Wiligrad ist mit Herzögen dieses Namens verbunden
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in Wiligrad, dem jüngsten der einst landesherrlichen Schlösser.
Wiligrad ist slawisch und bedeutet „Große Burg“. Dass Herzog Johann Albrecht ausgerechnet diesen Namen für sein Schloss wählte, ist wohl der Familiengeschichte geschuldet. Das Haus Mecklenburg zählt zu den ältesten deutschen Dynastien und kann seinen Stammbaum direkt bis zu den slawischen Obotriten und deren Fürst Niklot zurückverfolgen.
Doch ein bisschen trügt die historisch klingende Bezeichnung, denn Schloss Wiligrad ist das jüngste der großherzoglichen Schlösser im Land. Johann Albrecht ließ es zwischen 1896 und 1898 nach Plänen des Architekten Prof. Dr. Albrecht Haupt bauen – und zwar mit allem, was die Moderne zu bieten hatte. Wiligrad verfügte über eine eigene Wasser- und Stromversorgung, einen Elektroaufzug im Gästeflügel, Zentralheizung, Telefon und sogar eine Sprinkleranlage, für die im großen Turm ein Wasserbehälter eingebaut wurde. Nach außen allerdings zeigte sich das Anwesen mit einer Neorenaissance-Fassade deutlich traditioneller.
Die in Mecklenburg auch Johann-Albrecht-Stil genannte Bauweise ist von Terrakotta-Bändern geprägt, wie sie auch an Schlössern in Gadebusch und Schwerin oder am Fürstenhof in Wismar zu finden sind. Mit dem Erbauer von Schloss Wiligrad hat der Name allerdings nichts zu tun. Es war ein berühmter Vorfahre, der hier Pate stand: der Renaissance-Fürst Johann Albrecht I. (1525-1576), Förderer von Kunst, Architektur und Wissenschaft.
Im Gegensatz zu ihm war der im 19. Jahrhundert geborene Johann Albrecht, fünftes Kind des Großherzogs Friedrich Franz II. und dessen erster Frau Auguste, kein regierender Herzog – wenngleich doch Regent. Als sein älterer Bruder Friedrich Franz III. 1897 starb, übernahm er für seinen noch minderjährigen Neffen, den späteren Großherzog Friedrich Franz IV., bis zu dessen 19. Geburtstag 1901 die Regierungsgeschäfte. Außerdem war er 1895 Präsident der deutschen Kolonialgesellschaft geworden.
Reiseandenken aus aller Welt schmückten auch die Räume des Schlosses Wiligrad – auf alten Fotos sind sie noch zu sehen. Zu den repräsentativen Räumen gehört die Halle mit der nach oben zur Galerie führenden Treppe. Heute ist sie einer der Ausstellungsräume des Kunstvereins Wiligrad, der neben dem Landesamt für Bodendenkmalpflege Mieter in dem landeseigenen Schloss ist.
Ein besonderer Schatz des Anwesens befindet sich jedoch draußen vor der Tür: der 210 Hektar große Park, der fließend in den Wald zwischen Wiligrad und Lübstorf und an der Steilküste zum Schweriner Außensee übergeht. Hier entdecken Spaziergänger die Elisabethquelle und ein Stück weiter die Kaisertreppe, die zum Fähranleger am See führt und nach einem Besuch Wilhelms II. diesen Namen erhielt.
Johann Albrecht empfing häufiger in seinem kleinen Reich hochrangige Gäste. Während des ersten Weltkriegs handelte er mit dem bulgarischen König auf Wiligrad den Vertrag aus, der Bulgarien zum Kriegseintritt an der Seite der Mittelmächte verpflichtete. 1920 starb der Herzog in seinem Schloss und wurde von hier nach Bad Doberan gebracht, wo er in der herzoglichen Grablege im Münster seine letzte Ruhe fand.
Schloss Wiligrad wurde nach 1945 Parteischule und später Ausbildungsstätte der Polizei. Der einzigartige Park wurde dabei schwer geschädigt – ein ins Quellental Tre Fontane eingebauter Schießstand ist nur ein Beispiel dafür. Heute sind der vom Land denkmalgerecht sanierte Park und das Schloss wieder Juwelen. Und auch ein Nachguss des Welfen-Löwen hat vor dem Eingang seinen Platz gefunden und erinnert daran, dass Johann Albrecht zwischen 1907 und 1913 als Regent über das Herzogtum Braunschweig geherrscht hatte.
Katja Haescher