Gert Tuengerthal engagiert sich für die Deutsch-Französische-Gesellschaft in Wismar
Gert Tuengerthal ist seit diesem Jahr Vorsitzender der Deutsch- Französischen-Gesellschaft Wismar. Er möchte die Aktivitäten des seit 2001 bestehenden Vereins ausweiten und dazu beitragen, die Städtepartnerschaft zwischen Wismar und der französischen Hafenstadt Calais zu intensivieren. Tuengerthals Interesse für französische Sprache und Kultur wurde früh durch seinen Vater geprägt, welcher nach dem ersten Weltkrieg, 1923, als Student nach Frankreich gegangen war. Zuerst arbeitete dieser in Paris und später dann in Brüssel, wo der in Deutschland gebliebene Sohn den Vater bis ins junge Erwachsenenalter regelmäßig besuchte. „Er hat viel französisch mit uns gesprochen und uns französische Kultur nahe gebracht“, erinnert sich der heute 79-Jährige.
Der emeritierte Professor für Wirtschaftsrecht, der seit 1994 an der Wismarer Hochschule einen Lehrstuhl innehatte, war an der Gründung der Deutsch-Französischen- Gesellschaft beteiligt. In den 90er Jahren unterhielt die Hochschule Beziehungen nach Frankreich, zu Hochschulen in Lyon und Tours. Einige ambitionierte Professoren, unter ihnen Tuengerthal, schlossen sich mit eingewanderten Franzosen zusammen, die als Beschäftigte in gewerblichen Firmen, aber auch als Lehrer in die neuen Bundesländer kamen. Im Jahre 2001 gründeten
sie gemeinsam die Deutsch-Französische-Gesellschaft, um sich gegenseitig zu vernetzen und den Kontakt nach Frankreich zu pflegen. Der Verein, der gegenwärtig 50 Mitglieder zählt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, französische Kultur und Sprache in Wismar und Umgebung zu fördern und unternimmt dazu eine Vielzahl von Aktivitäten. Neben dem regelmäßig stattfindenden Konversationskurs sowie dem „Jour-Fixe“, bei dem aktuelle
Themen mit französischen Bezug diskutiert werden, gibt es eine Reihe von Einzelveranstaltungen wie deutsch-französische Filmabende in Kooperation mit dem Filmbüro, typisch französische Boule-Turniere, die Fahrradrallye „Tour de Meck“, Crêpes-Abende zum traditionellen Fest „La Chandeleur“ und sogar Reisen nach Frankreich.
Tuengerthal schwärmt von den zurückliegenden Reisen, etwa in die Picardie, eine Region im Norden
Frankreichs. „Es war faszinierend, wieviel Interesse es von französischer Seite an Deutschland und der Wiedervereinigung gab“, erinnert sich Tuengerthal an den lebhaften Austausch mit den Einheimischen. Eindrucksvoll war auch der Ausflug nach Chantilly. Die Stadt ist weltbekannt für ihr
Schloss, in dessen Umgebung sich aber auch das größte Trainingsgebiet für Rennpferde in Europa erstreckt. „Überwältigend sind die Trainingswege von über 500 Kilometern Länge, welche für Rennpferde ausgelegt sind, die wir zu Hunderten beim morgendlichen Galopptraining beobachten konnten“, schildert Tuengerthal seine
Eindrücke. Ein besonderer Genuss war für den Weinliebhaber auch die Reise nach Bergerac, ein hinter Bordeaux gelegener Weinort im Landesinneren. „Es gab ein wunderbares Lokal über dem Weinberg. Dort konnten wir, mit Weinproben und Trüffeln aus dem nahe gelegenen Périgord, die über den Weinbergen liegende Ruhe genießen.
Das ist die französische Lebensart, von der wir träumen – jeder, der dafür einen Sinn hat, ist im Verein
herzlich willkommen“, bekräftigt der Vereinsvorsitzende, der vor allem für junge Mitglieder werben möchte – sowohl mit als auch ohne Sprachkenntnisse. „Zur Zeit wird ohnehin mehr Deutsch gesprochen, wobei die französische Sprache unbedingt wieder in den Vordergrund treten sollte. Ich überlege schon ein Schild mit der Aufschrift: „En Français, s‘il vous plaît!“ in die Höhe zu halten, wenn wir, wie so oft, wieder ins Deutsche verfallen“, scherzt der ehemalige Professor, der früher Vorlesungen auf Französisch gehalten hat, mittlerweile jedoch selbst etwas aus der Übung gekommen ist. Grund genug, neuen Schwung in die Gesellschaft zu bringen.
Ganz in diesem Sinne bildete der diesjährige Chanson-Abend, der unlängst Ende Oktober mit dem Sänger und Gitarristen Pierre Velghe im Wismarer Zeughaus veranstaltet wurde, einen Höhepunkt im Programm. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung entstand die Idee, das jährliche Chansonkonzert der Gesellschaft diesmal auf die Partnerstadt Calais auszurichten. Die am Ärmelkanal gelegene Welterbeund Universitätsstadt, die ein Zentrum
der Tourismus-Region der Opalküste bildet, gehört zu Wismars ältesten Partnerstädten. Der Partnerschaftsvertrag wurde bereits zu DDR-Zeiten, 1971, geschlossen. Das Interesse der DDR an Frankreich mag verwundern, doch liegt es in der damaligen Politik der BRD begründet. Die BRD war bestrebt, diplomatische Beziehungen zwischen Frankreich und Ostdeutschland zu unterbinden, weshalb die DDR versuchte, auf kulturellem Gebiet Anerkennung zu erlangen.
Über 160 Städtepartnerschaften wurden ins Leben gerufen, so auch die Partnerschaft Wismar – Calais, aus dessen Region Chanson-Sänger Pierre Velghe stammt. Mit ihm waren auch zwei Gäste aus der Stadtverwaltung von Calais angereist, um Wismar kennenzulernen und mit Bürgermeister Thomas Beyer Gespräche über die Städtepartnerschaft zu führen. Die Wiederbelebung der deutsch-französischen Freundschaft zwischen den beiden Städten, um die es nach der Wende ziemlich ruhig wurde, setzt auch einen Meilenstein für künftige Projekte des Vereins. Etwa sei die Gesellschaft bestrebt, in naher Zukunft ein Austauschprogramm zwischen Schülern und Studenten aus Wismar und Calais anzuregen, so Tuengerthal. Laura Prüstel
www.dfg-wismar.de