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Es tut gut, in den Wald zu gehen

Chris Baumgärtel hat „Naturwald e. V.“ gegründet und bietet Walderlebnisse in den Redentiner Tannen

Chris Baumgärtel schätzt das Draußensein in der Natur. Mit seiner Familie lebt er seit 2017 in Hof Redentin bei Wismar. Unweit von seinem Haus liegen die Redentiner Tannen, ein kleineres Nadel- und Laubwaldgebiet, das er gerne durchstreift. „Gerade während der Coronapandemie lag es nahe, in die umliegende Natur zu gehen. Da ist die Idee entstanden, einen Verein zum Erhalt des Waldes zu gründen“, entsinnt sich der gebürtige Thüringer.

Naturwald
Chris Baumgärtel wird für den Wald aktiv. Foto: Laura Prüstel

Inspiriert durch Peter Wohlleben, Förster und Autor des Bestsellers „Das geheime Leben der Bäume“, rief Chris Baumgärtel im vergangenen Jahr den Verein „Naturwald“ ins Leben. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland heute nur noch zirka zehn Prozent der Landfläche mit Wald bedeckt sind, landwirtschaftliche Nutzung und die Folgen der Klimakrise die Wälder weiter schwinden lassen, ist Baumgärtels Engagement hochaktuell. „Da Mecklenburg-Vorpommern zu den waldärmsten Bundesländern zählt, stößt man weder auf üppige Waldgebiete, noch auf interessenbezogene Vereine. Da lag es nahe, den Verein selbst zu gründen“, sagt der 39-Jährige, der die dazu nötigen Gründungsmitglieder mühelos in seiner Familie fand.

Von der Bürgerstiftung der Volks- und Raiffeisenbank und der Stiftung der Sparkasse Mecklenburg-Nordwest erhielt der Verein eine Starthilfe und konnte sich eine erste Ausstattung finanzieren. Gemeinsam starteten die Mitglieder sogleich zwei große Aufräumaktionen in den Waldgebieten am Alt Farpener Stausee sowie nahe Krakow am See. Mehrere 120-Liter-Säcke voller Müll schafften sie gemeinsam aus den Wäldern.

In diesem Jahr ließ sich Chris Baumgärtel in einer 10-tägigen Schulung bei Peter Wohlleben, der eine Waldakademie in der Eifel in Rheinland-Pfalz betreibt, zum Waldführer ausbilden. Seine erste eigene Führung unternahm er mit Schulkindern der 1. Klasse der Ev. Grundschule Robert Lansemann aus Wismar. Auf der vier Kilometer langen Tour durch die Redentiner Tannen vermittelte er den Kindern nicht nur theoretisches Wissen über die Tier- und Pflanzenarten des Laub- und Nadelwaldes, sondern bereitete ihnen ein nachhaltiges Naturerlebnis: So integrieren die Rundgänge verschiedene Spielstationen, etwa ein Waldmemo, bei dem sich die Kinder Waldgegenstände einprägen, um sich anschließend auf die Suche danach zu begeben. Auch lässt er sie Insekten aus nächster Nähe beobachten oder sich in die Rolle der Eichhörnchen versetzen, die im Herbst unzählige Nüsse verstecken, welche es gilt, am Ende wiederzufinden. So lernen die Kinder Wissenswertes über den flinken Waldbewohner und seinen Beitrag zur Entstehung von Jungbäumen. Den Abschluss der Tour bildet ein vergnügliches Picknick unter Bäumen.

Auch für Erwachsene bietet Baumgärtel Führungen an. Die etwa sechs Kilometer langen Wanderungen dauern ca. zweieinhalb Stunden und beinhalten verschiedene Aktionen. „Die meisten Teilnehmer haben Lust darauf, mit dem Wald in Berührung zu kommen und sich dabei auch mal schmutzig zu machen“, bemerkt Baumgärtel. Die Teilnehmer können vielfältige Sinneseindrücke sammeln, indem sie sich beispielsweise mit verbundenen Augen führen lassen, um den Geräuschen des Waldes zu lauschen oder Baumrinde zu ertasten und sich damit Sinneswahrnehmungen zu öffnen, die hinter dem Sehsinn zurücktreten. Oder er animiert seine Teilnehmer Blätter zu essen und am Geschmack den jeweiligen Baum zu erkennen, denn die meisten Baumblätter wie Buche, Eiche oder Ahorn sind ungiftig. „Am Anfang des Jahres, wenn die Triebe jung sind, schmecken die Blätter leicht süßlich“, schmunzelt Baumgärtel.

Überdies teilt er sein umfangreiches ökologisches Wissen. Beispielsweise klärt er über die Zusammenhänge des Waldsterbens auf, informiert über nicht heimische Baumarten wie die der Fichte, die bei uns in großer Zahl angesiedelt wurde, aber mit den hiesigen Bedingungen nicht zurechtkommt. Durch Wassermangel und Hitze verliert sie ihre Widerstandskraft gegen den Borkenkäfer, stirbt ab und schwächt damit den gesamten Wald.

Der Verein will sich auch für die natürliche Wiederaufforstung einsetzen. Anfang des Jahres war Baumgärtel dazu bei einem Vernetzungstreffen für baumpflanzende Initiativen. Neben den Waldführungen und Aufräumaktionen versucht der Verein künftig Flächen zu gewinnen, wo Bäume gepflanzt werden dürfen. Es laufen bereits Gespräche mit der Gemeinde, als auch mit Privatpersonen, um dafür Grundstücke zu erwerben oder zu pachten. Hierfür benötigt der Verein Fördermittel und Spenden.

Für eine Wanderhütte ist indessen ein Fördermittelbescheid von der Bürgerstiftung zugesagt worden. Die Wetterschutzhütte soll in Hof Redentin errichtet werden und als Treffpunkt für die Waldführungen in den Redentiner Tannen dienen. Das Forstamt erteilte für die Führungen zunächst eine einjährige Genehmigung.
Baumgärtel, der beruflich als Ausbilder im Kraftfahrwesen bei der Bundespolizei arbeitet, hat noch viele weitere Ideen, um den Menschen den Wald nahe zu bringen: „Man könnte Outdoor-Erlebnisse schaffen, etwa Übernachten unter freiem Himmel, Waldtiere aus nächster Nähe beobachten oder Survival-Touren, bei denen man versucht, zwei Tage nur mit Waldnahrung auszukommen.“

Sein Verein freut sich über neue Mitglieder und Förderer. Die nächsten Waldführungen, die stets auf Freitag und Samstag terminiert sind, finden am 23. und 24. August sowie 6., 7. und 13. September statt. Auf der Vereinsseite unter www.naturwald-ev.de lassen sich die Führungen buchen und ein umfassender Eindruck vom Verein gewinnen.

Laura Prüstel

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