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Fachwerk in der Bunten Stadt

Das Rathaus in Grabow entstand im 18. Jahrhundert nach dem großen Stadtbrand

Das Grabower Rathaus entstand 1727 nach dem großen Stadtbrand. Foto: Katja Haescher

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: im Rathaus in Grabow, das zusammen mit einer ganzen Stadt entstand.

Der 3. Juni 1725 teilt die Geschichte von Grabow in ein Davor und ein Danach. An diesem Tag brannte die kleine Ackerbürgerstadt innerhalb weniger Stunden fast vollständig ab. Die Flammen fraßen sich durch die dichtgedrängt stehenden Häuser und Buden in den verwinkelten Straßen, fanden in Strohdächern und Holzschuppen reichlich Nahrung, sprangen ins Schloss, das Rathaus, die Kirche. Innerhalb weniger Stunden war der Ort ein schwelender Trümmerhaufen.

Neben den repräsentativen Bauten waren rund 300 Häuser ein Raub der Flammen geworden.
Die Grabower standen vor einer gigantischen Aufgabe: Es ging nicht darum, ein paar neue Häuser zu bauen, sie brauchten eine neue Stadt. Ob das der Grund war, dass schon zwei Jahre nach dem Brand an ursprünglicher Stelle wieder ein Rathaus als Ort wichtiger politischer Entscheidungen stand? Wer weiß. Fest steht, dass mit dem prächtigen Fachwerkgebäude am Markt auch ein Impulsgeber für den Wiederaufbau und die Entstehung der Fachwerkstadt Grabow errichtet wurde.

Bis 1740 folgten nach einem Regulierungsplan zahlreiche Fachwerkbauten – „die bunte Stadt an der Elde“ erhielt ihr heutiges Gesicht. Bauholz war in der Gegend reichlich vorhanden und die Zimmerer hatten jahrelang zu tun. Herzog Carl Leopold nutzte die Tabula rasa gleichzeitig, um das neue Grabow moderner und sicherer zu machen: Die Straßen wurden breiter, Holzschindeln und Stroh als Material zum Dachdecken waren genauso verboten wie Scheunen und Schuppen innerhalb des Ortes.

Das 1998 gründlich sanierte Rathaus gehört heute zu den wertvollsten Stücken im Schmuckkästchen Grabow. Amtsbaumeister Christian Reichel und Zimmermeister Joachim Schlubeck bauten das zweigeschossige Haus mit dem hohen Mansarddach im Stil des Barock. Gekrönt wird das Dach von einem kleinen Turm mit Haube, einer so genannten Laterne, die eine Wetterfahne mit Mond und Sternen schmückt. Dieses Stadtwappen geht in der jetzigen Form auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. Bereits nach der Reformation im 16. Jahrhundert hatten die Grabower den Heiligen Georg aus ihrem Wappen verbannt und sich für einen Mond mit Stern als heraldisches Symbol entschieden, der sich über die Jahre zur heutigen Form wandelte.

Und während das historische Rathaus vor seiner Sanierung Ende des 20. Jahrhunderts zusätzlichen Platz im Innern benötigte, war es bei seiner Entstehung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts großzügig dimensioniert. So großzügig, dass es neben ein bis zwei Verwaltungsräumen und der Bürgermeisterwoh­nung auch noch ein Hotel, ein Billardzimmer und einen Konditoreiladen beherbergen konnte.

Eine spannende Fußnote in der Geschichte erhielt es 1839, als der Gefangene Fritz Reuter aus Graudenz auf die Festung Dömitz verlegt wurde. Auf dem Weg dorthin machte der begleitende Gendarm mit dem Delinquenten im Grabower Rathaus Station. Dort traf Reuter seinen alten Freund Franz Floerke, mit dem er auf dem Gymnasium Parchim die Schulbank gedrückt hatte. Dieser war inzwischen Hofrat und Bürgermeister und setzte sich als solcher in der darauffolgenden Zeit sehr für die Freilassung Reuters ein. Nachdem dieser 1840 das Gefängnis verlassen durfte, besuchte er Grabow erneut.

Über die nächtliche Begegnung vor dem Rathaus schrieb Reuter später in seiner „Festungstid: „,Gun Abend, Franz!‘ röp ick ut den Wagen, ,täuw noch en beten!‘ – Un as ick nu mit minen Schandoren tau Rum un gegen ‘t Licht kamm, freu‘te de oll Knaw sick ordentlich un verget ganz, dat hei Burmeister was un ick Delinquent (…) Äwer den Abend wull de Schandor ganz utenanner gahn, as hei hürte, dat de Burmeister sick mit den Vagebunden duzte, un as hei sach, dat hei mit em ‘ne Buddel Win drünk (…)“.

So setzte Reuter der Stadt Grabow, ihrem Bürgermeister und auch dem Rathaus in seinem Werk ein literarisches Denkmal. Und apropos Denkmal: Auf dem Kirchenplatz hinterm Rathaus stehen die beiden Freunde Reuter und Floerke noch heute. Aus Bronze und mit Weingläsern in der Hand stoßen sie aufs Wiedersehen an.

Katja Haescher

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