Zwischen Gleichberechtigung und Glückwunschtiraden
Ein Hoch auf den neuen Feiertag! Der Internationale Frauentag am 8. März ist in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern erstmalig ein offizieller Feiertag und damit arbeitsfrei – und zwar für alle Geschlechter. Nachdem der Frauentag in Berlin bereits 2019 Feiertag geworden ist, zieht Mecklenburg-Vorpommern nun als zweites Bundesland in ganz Deutschland nach. Der Weg dahin war jedoch nicht mit Rosen gepflastert.
Heiße Debatte
Im Landtag wurde die Debatte um den neuen Feiertag von Kritikern hauptsächlich von wirtschaftlichen Argumenten bestimmt. Mit Kosten von über 50 Millionen Euro erschien ein weiterer arbeitsfreier Tag doch als zu hochpreisig, weshalb erstmal eine Einführung im Jahr 2026 vorgeschlagen wurde. Die Regierungsfraktionen SPD und Linke sowie die Grünen argumentierten dagegen, dass die Bürger und Bürgerinnen Mecklenburg-Vorpommerns im Vergleich zu anderen Bundesländern insgesamt weniger Feiertage haben und arbeitsfreie Tage zudem nicht mit Einbußen in allen Branchen einhergingen. Im Gastgewerbe versprächen Feiertage erfahrungsgemäß einen hohen Profit. Mit Erschöpfung der wirtschaftlichen Argumente musste dann schließlich doch etwas tiefer in die Trickkiste der Erklärungen gegriffen werden. Jedoch schienen nicht alle Parteien im Landtag die Meinung zu teilen, dass die Gleichstellung der Geschlechter durch das Gesetz automatisch gleichbedeutend mit der tatsächlichen Umsetzung weiblicher Belange in der gesellschaftlichen Realität sei. Nach einigem Hin und Her bekam MV schließlich doch noch seinen Feiertag und darf diesen nun, angesichts der offenbar schon bestehenden Gleichberechtigung, wunderbar zum Faulenzen nutzen – oder vielleicht doch nicht?
Protest oder Pralinen?
Wer sich umschaut, kann bereits die ersten Veranstaltungstipps anlässlich des Frauentags entdecken. Ursprünglich für Demonstrationen zur Durchsetzung grundlegender Rechte gedacht, kann Frau nun ganz liebevoll mit Sekt und Schuhkauf glücklich gemacht werden. Von dem Liebsten gibt es Blumen und Pralinen geschenkt, wobei das durch die zeitliche Nähe zum Valentinstag jetzt doch schon etwas aufgesetzt wirkt. Doch es gibt Hoffnung. Neben Partys mit viel Pink und Sekt stehen auch kulturelle Punkte auf dem Programm, die auf die eigentliche Bedeutung des Tages hinweisen. Im Schweriner Säulengebäude findet ein Workshop zu Aktionskunst statt, bei dem die Anwesenden gemeinsam erfahren und umsetzen, wie sie ihre Belange wirksam formulieren und erreichen können. In der Stadthalle in Ludwigslust ist bereits am 2. März zur Einstimmung ein Klavierkabarett von Anne Folger zu hören, in dem sie mit Witz und Ironie mit Klischees aufräumt und ihre Sicht der Dinge herrlich musikalisch serviert.
Ein Blick zurück
Bereits vor über einem Jahrhundert wurde der Internationale Tag der Frauen erstmals ausgerufen. Im Jahr 1911 gab es die ersten Veranstaltungen in Deutschland, Dänemark, Österreich, der Schweiz und den USA. Oberstes Ziel war zu damaligen Zeiten die Einführung des Frauenwahlrechts, das die deutsche Frauenrechtlerin Clara Zetkin bereits im Jahr 1907 auf der ersten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz gefordert hatte. Mit der Einführung dieses Aktionstages wurde der Grundstein für die noch immer währende Emanzipation der Frauen gelegt, was auch das bedeutende Zitat von Clara Zetkin aus dem Jahr 1911 beweist: „Dieser Internationale Frauentag ist die wuchtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht gewesen, welche die Geschichte der Bewegung für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts bis heute verzeichnen kann.“ Nach dem Ende des ersten Weltkrieges, während dem der Frauentag aufgrund des Verbotes pazifistischer Veranstaltungen nur heimlich begangen werden konnte, erhielten Frauen am 12. November 1918 in Deutschland das aktive und passive Wahlrecht. Mit der Aufnahme des Gleichberechtigungsartikels im Jahr 1948 wurde die Gleichstellung von Mann und Frau schließlich Gesetz. Während der Frauentag in der BRD nur wenig zelebriert wurde, nutzte ihn die DDR, um seine Errungenschaften zu feiern und ehrte die Frauen im Rahmen staatlich organisierter Feierlichkeiten, die mehr peinlich als ehrlich waren. Heute ist der 8. März den Belangen der weiblichen Bevölkerung gewidmet, welche von gleichem Lohn für gleiche Arbeit bis hin zum Kampf gegen Gewalt und Zwangsprostitution reichen.
Wie denn nun?
Manch einer könnte meinen, heutzutage ist es sowieso niemandem mehr recht zu machen. Schließlich kann man sich im neuen Pronomendschungel schon einmal verirren. Über die Diskussion der gendergerechten Sprache wäre noch ebenso viel zu sagen wie über die ritualisierten Beglückwünschungen zum 8. März. Aber eines steht fest: Wer seine Liebsten mit Blumen, Schmuck oder einem Fallschirmsprung überraschen will, der soll das an jedem möglichen Tag tun. Und auch die einfachen, aber viel zu selten gesagten Botschaften lassen sich an jedem Tag des Jahres mit Worten oder Taten überbringen. Denn ein „Ich respektiere dich“ oder „Du bist mir wichtig“ schmeckt besser als jede herzförmige Praline.
Laura Piontek