Wenn der Motor tuckert und der Auspuff dampft, haben Dieter Untrieser und Adolf Lallemand strahlende Gesichter: Beide arbeiten ehrenamtlich als „Schrauber“ im Kreisagrarmuseum in Dorf Mecklenburg und sorgen dafür, dass alte Technik läuft wie geschmiert.
„Meine Tochter ist schuld“, sagt Dieter Untrieser, wenn er seinen Weg ins Museum rekapituliert. Und so, wie er es sagt, hört jeder gleich, dass er von dieser Schuld ganz begeistert ist. „Ich ging in Rente, wollte aber nicht zu Hause rumsitzen. Zwar habe ich einen Garten, aber das Rumschrauben fehlte mir da schon“, sagt der gelernte Auto-Mechaniker. Seine Tochter griff zum Telefon und meldete den Vater kurzerhand beim Förderverein des Museums an. Seitdem ist der 72-Jährige zweimal in der Woche hier – genauso wie Adolf Lallemand.
Der wiederum ist fest davon überzeugt, anstelle von Muttermilch Öl bekommen zu haben. „In meinem Elternhaus gab es eine Werkstatt. Die musste immer aufgeräumt sein. War das nicht der Fall, wurde sie abgeschlossen – für mich die größte Strafe“, erinnert sich der Mecklenburger. Er ist ein leidenschaftlicher Fan alter Technik – und ein leidenschaftlicher Sammler. Auf dem heimatlichen Grundstück stehen unter anderem Motoren und ein Multi-Car, Motorräder und ein Trabant mit Anhänger. Und der Museumsbagger, den die beiden Schrauber an diesem Tag winterfest machen wollen, ist ebenfalls dank Lallemands Motorenleidenschaft im Museum gelandet. „Hab ich gekauft, für 250 Ostmark“, sagt der 68-Jährige. Der Bagger vom Typ T 172 hatte seinen letzten Einsatz als Baufahrzeug bei der Bahn und sollte verschrottet werden.
Nun zeigt das Fahrzeug mit Baujahr 1962 im Museum weiterhin, was es kann – und sorgt für glänzende Augen. Denn wenn bei Veranstaltungen der Motor läuft und die Seilwinde wickelt, sind auch die Zuschauer fasziniert. „Das ist schöne alte Mechanik“, schwärmt Dieter Untrieser, während er zusieht, wie sich die einzelnen Teile des Greifers bewegen, wie sie an den richtigen Stellen einrasten und wieder aushaken, sich das Baggermaul öffnet und schließt. „Unsere Vorgänger haben diese Technik erdacht und wir wollen sie erhalten“, sagt der Wismarer. Was für andere Menschen nur „alter Plunder“ ist, begeistert ihn in seiner Perfektion und gleichzeitigen Unperfektheit: Nichts ist makellos genormt, oft ist der Lack schon ab und eine Fehlersuche per Laptop wäre ein guter Witz.
Denn der Reiz des Schraubens liegt ja gerade darin, selbst an den entscheidenden Stellen nachzuhelfen. Adolf Lallemand hat die ersten Erfahrungen auf diesem Gebiet schon in der Schulzeit gesammelt. „Wir hatten in Lübow eine Arbeitsgemeinschaft Kfz-Technik. Und wir hatten Werkzeuge, eine Drehbank und ein polytechnisches Kabinett“, erinnert er sich. Später blieb er dem Schrauben treu, erlernte in Potsdam den Beruf eines Maschinisten für Eisenbahnbautechnik. Und nicht zuletzt war das Do-it-yourself in der DDR ohnehin Teil des Alltags.
Für manche Schätze des Fuhrparks werden inzwischen die Ersatzteile knapp oder besser ausgedrückt: Es bedarf größerer Mühe, sie ausfindig zu machen. In solchen Fällen sind die Bastler auf Teilemärkten unterwegs. „Da trifft man auf viele Gleichgesinnte“, freut sich Adolf Lallemand. Und die Fachsimpeleien sind dann mindestens genauso schön wie die Erfolge bei der Ersatzteiljagd.
Beiden Männern macht es viel Spaß, wenn Besucher des Museums einen Sack voll Fragen haben oder wenn Kinder verstehen, wozu die alte Technik einmal nütze war. „Als einer der Dreschkästen aussortiert werden sollte, haben wir ihn stattdessen aufgeschnitten und eine Plexiglasplatte davorgesetzt. So kann jeder sehen, was im Innern passiert“, sagt Untrieser.
Mit Vergnügen würden Adolf Lallemand und Dieter Untrieser auch jüngere Schrauber-Kollegen für die alte Technik begeistern. „Das wäre uns wichtig. Schließlich hatten wir in unserer Jugend auch jemanden, der es uns gezeigt hat und das wollen wir weitergeben.“ Gern natürlich auch an Schrauberinnen – Adolf Lallemands Tochter zum Beispiel hat den Beruf einer Autoschlosserin gelernt. Und sein kleiner Enkel, drei Jahre alt, kann vom Tuckern in der Museumswerkstatt gar nicht genug bekommen. „Und darauf“, sagt Adolf Lallemand, bin ich richtig stolz.“
Katja Haescher