Eine große Kunstsammlung erhielt Einzug in die sanierten Räume des ehemaligen Kontorhauses
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Kunstkontor Wismar, kurz KKW.
Paul Menninghaus hat sich mit dem Kunstkontor in der Dankwartstraße 32 seinen Lebenstraum erfüllt. Seit über 50 Jahren sammelt der gebürtige Münsterländer Kunstwerke von 1900 bis in die Gegenwart. Seine umfangreiche Sammlung hat er nun in den eigens dafür hergerichteten Räumlichkeiten für die Öffentlich- keit zugänglich gemacht. Das eigen- willige Haus lässt sich für diese Zwecke wunderbar nutzen. Seine Frau, die Kunst- und Kulturwissen- schaftlerin Dagmar Koopmann, entdeckte die zum Verkauf stehende Immobilie im Jahre 2013. In auf- wendiger Sanierung baute Men- ninghaus, der eigentlich als Steuerberater tätig ist und seit den 1990er Jahren ein Steuerbüro in Wismar betreibt, das dreistöckige Gebäude zu einem privaten Kunst- und Designmuseum um.
Seit der Eröffnung im März vergangenen Jahres kommen sowohl Künstler, Galeristen und Sammler aus aller Welt vorbei, als auch interessierte Wismarer. Einige kennen das Gebäude noch von früher, als man dort in mittelalterlicher Atmosphäre ein süffiges Bier trinken konnte. Denn nach der Wende befanden sich nacheinander drei Gaststätten in dem Haus, zuletzt eine urige Kneipe im Mittelalterstil. Danach stand es lange Zeit leer und befand sich in marodem Zustand. Zehn Jahre hat seine umfangreiche Sanierung gedauert. Der Einsatz hat sich gelohnt, denn nun erstrahlt der historische Bau in der Wismarer Altstadt in neuem Glanz und ist kaum wiederzuerkennen.
Das einstige Kontorhaus, das sich bis ins Mittelalter auf seine Vorbesitzer nachvollziehen lässt, gehörte u.a. über drei Generationen der einfluss- reichen Wismarer Familie Thormann, die dort einen Eisenhandel führte. Daran erinnern noch die massiven Eisenhaken an der Decke und ein großes hölzernes Lastenrad im Obergeschoss. Alte Granitstufen lassen den ursprünglichen Austritt in den Garten erkennen. Heute erstreckt sich der schlanke Bau bis an die hintere Grundstücksgrenze. Den gesamten Innenausbau des unter Denkmalschutz stehenden Hauses hat der 74-jährige Hauseigentümer selbst geplant und zu großen Teilen auch durchgeführt. So befreite er den großzügigen Raum im Erdgeschoss von rustikalen Holzeinbauten aus der Zeit der Gastwirtschaft. Frisch geweißte Wände dienen nun als Präsentationsfläche für die Kunstwerke seiner Sammlung, die Künstler rund um die Ostsee – von Norddeutschland, über Polen, dem Baltikum, Skandinavien bis Russland umfasst. Vor allem eine Vielzahl farbenprächtiger Werke von Wolfgang Eckhardt, der als „Picasso des Nordens“ gehandelt wird, beleben den Ausstellungsraum. Menninghaus besitzt auch große Teile aus den Nachlässen von Wismarer Künstlern wie Sella Hasse, Hans Mühlemann oder Walter Tauchert, dessen Werke in einer Wechselausstellung noch bis zum 15. Februar im KKW zu sehen sind. Für Menninghaus ist die Beschäfti- gung mit Kunst, Design und Innenarchitektur ein Ausgleich zu seinem Beruf. Äußerst ästhetisch wirken die Räume, die das Ehepaar mit stilvollen Möbeln namhafter Designer, u.a. von Philippe Starck oder dem italienischen Designlabel Giorgetti ausgestattet hat. Es finden sich dort auch viele designstarke Details, wie Kleinplastiken und Keramiken, die beide zumeist in Auktionshäusern ersteigert haben. Ein bemerkenswerter Blickfang sind die alten Holztreppen, welche mit einem knallroten Anstrich geschickt aufgewertet wurden. In Rot getaucht ist auch der Tresen, den Menninghaus zunächst entfernen wollte, der durch die Fürsprache eines Seglers schließlich bleiben durfte. Denn das gute Stück besitzt Kultcharakter und erfüllt seinen Zweck, wenn neben dem Ausstellungsbetrieb auch Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Kabarett oder Lesungen stattfinden. Über die Kleinkunst möchte Menningshaus auch die Menschen erreichen, die gewöhnlich wenig Berührung mit der Malerei haben.
Die Sammler führen Besucher fortlaufend von Donnerstag bis Sonntag von 15 bis 18 Uhr persönlich durch ihre Galerie, die sich bis ins Obergeschoss erstreckt. Im Dach entsteht gegenwärtig eine Kunstbibliothek.
Laura Prüstel